Susanne Gaschke rechnet mit der SPD ab

Der Bundestag wird am Donnerstag auf Vorschlag der SPD-Fraktion absehbar die Berliner Abgeordnete Eva Högl zur neuen Wehrbeauftragten wählen. Die 51-Jährige löst dann Hans-Peter Bartels ab. Der Kieler, der just an dem Tag 59 Jahre alt wird, wäre gern für weitere fünf Jahre Wehrbeauftragter geblieben. Hintergrund der Personalie ist offenbar eine innerparteiliche Personalrochade, mit der Högls Wahlkreis Berlin-Mitte freigemacht werden soll - entweder für den Juso-Chef Kevin Kühnert oder für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, dem wiederum Bundesfamilienministerin Franziska Giffey nachfolgen soll. Hans-Peter Bartels fliegt vom Personalkarussell: Dabei fliegt Bartels vom Personalkarussell, obwohl er in der Bundeswehr und über Parteigrenzen hinweg hohe Anerkennung als Wehrbeauftragter genießt. CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus macht keinen Hehl daraus, dass seine Fraktion Bartels wiedergewählt hätte, aber das Vorschlagsrecht des Koalitionspartners respektiert. Für Susanne Gaschke bringt die Personalie das Fass zum Überlaufen. "Das geht zu weit", schreibt sie in einem aufsehenerregenden Beitrag für " Die Welt ". Die Journalistin Gaschke steht bei der Zeitung des Verlags Axel Springer als Autorin unter Vertrag, nachdem sie im Oktober 2013 wegen der Steueraffäre Uthoff nach elfmonatiger Amtszeit als Oberbürgermeisterin von Kiel zurückgetreten war. "Mir ist nicht egal, wie Ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe": "Das geht zu weit, weil Hans-Peter Bartels einen untadeligen, kompetenten Job gemacht hat", schreibt Gaschke. "Weil er allseits anerkannt ist und in 22 Jahren Bundestag stets loyal zu Euch war. Es geht zu weit, weil Eure alternative Superkandidatin keinerlei Bezug zur Bundeswehr hat und weil die Öffentlichkeit über das Geschacher um die unabhängige Institution des Wehrbeauftragten entgeistert ist. Vor allem aber geht es zu weit, weil ich mit Hans-Peter Bartels seit 29 Jahren verheiratet bin. Mir ist es nicht egal, wie Ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe." In ihrem langen Text erinnert Gaschke zunächst an "die donnernden Sätze des Godesberger Programms von 1959, die so gar nichts mit Eurer heutigen Textbausteinsprache zu tun haben". In die SPD eingetreten sei sie 1987 "aus einer Art Widerspruchsgeist", weil an der Kieler Gelehrtenschule Kinder aus konservativen Elternhäusern tonangebend gewesen seien. Von der Aufstiegs- zur Versorgungspartei: Und dann rechnet Gaschke mit drei Jahrzehnten SPD-Geschichte ab. "Aus einer Aufstiegspartei, die Menschen solidarisch dabei hilft, sich selbst zu helfen, habt Ihr – in mehrfacher Hinsicht – eine Versorgungspartei gemacht. Ihr habt das Schulsystem in vielen Bundesländern ruiniert, mit technokratischer Methodenideologie und Inklusionswahn. Ihr habt Eure antiautoritären Reflexe ausgelebt, ohne jemals zu fragen, wie man es denn am Ende konkret hinbekommt, dass alle 15-Jährigen lesen, schreiben und rechnen können. Dass Kinder mit Lernbehinderungen nicht untergehen. Dass Schüler ohne bildungsbürgerliches Elternhaus trotzdem die Möglichkeit bekommen, klassische Musik, Kunst, Literatur, Geschichte und Politik kennenzulernen." Auf der anderen Seite habe die SPD "angefangen, alle möglichen 'Zielgruppen' paternalistisch mit Leistungen beglücken zu wollen: Alleinerziehende, Rentner, Geringverdiener. Ihr werft mit Geld nach Problemen. Nicht immer sind es die richtigen Probleme, und niemals interessiert Euch das Ergebnis." "Qualifikation spielt eine immer geringere Rolle": Mittlerweile begriffen "zu viele" die SPD als Versorgungspartei in einem zweiten Sinne. "Zu viele Jusos, zu viele abgebrochene Studenten und Leute mit schwieriger Berufswahl kämpften um Posten, die gutes Gehalt, Mitarbeiter, Büros und Prestige versprachen", schreibt sie. "Es ging immer weniger darum, was man mit einem Amt erreichen wollte – es ging darum, dass man es bekam." Und: "Qualifikation spielte eine immer geringere Rolle." Gaschke erinnert an ihre Nominierung und Wahl zur Kieler Oberbürgermeisterin 2012. Dabei bekommt ihr Amtsvorgänger Torsten Albig, der im gleichen Jahr Ministerpräsident geworden war, sein Fett weg: "Und das, obwohl ein SPD-Ministerpräsident, an dessen Namen sich heute schon niemand mehr erinnern kann, alles, aber auch wirklich alles dafür tat, um meine Wahl zu sabotieren. Danach tat er vieles (wirklich sehr vieles), damit ich das Amt wieder verlor. Und niemand, wirklich niemand in der Berliner Parteiführung interessierte sich auch nur ein winziges Bisschen dafür, warum dort in Schleswig-Holstein Genossen eine Genossin schredderten." Vorstandswahl als "beispielloser Wanderzirkus": Zurück zur SPD als Ganzes. Gaschke schreibt: "In den vergangenen sieben Jahren ließ sich beobachten, wie die Partei ständig weiter nach links rückte, wie ihr die gesellschaftliche Mitte immer egaler wurde – obwohl alle Demoskopen Euch sagen und alle Empirie es beweist, dass Ihr nur gewinnen könnt, wenn Ihr die Wähler der solidarischen Mitte für die Unterstützung der Benachteiligten gewinnt." Einmal in Fahrt, legt Gaschke nach: "Zugleich mit der Linksdrift wart Ihr bereit, solange in der großen Koalition zu bleiben, wie es nur geht, denn dort sind Eure Posten, Dienstwagen und Mitarbeiterstellen garantiert. Ihr habt Euch gegen eine dringend notwendige Verkleinerung des Bundestags gestemmt. Ihr habt die ,Ehe für alle' gefeiert, als sei sie ein sozialdemokratisches Kernprojekt. Ihr habt einen beispiellosen Wanderzirkus veranstaltet, um mit zwei Vorsitzenden zu enden, die Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken heißen. Eure Familienministerin spricht zur Öffentlichkeit wie zu Kindergartenkindern. Euer Außenminister darf keine Außenpolitik machen. Euer Finanzminister glaubt immer noch, dass er Bundeskanzler werden könnte. Euer Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag hat mal eben im Alleingang die deutsche Nato-Strategie abgeräumt. Eure Bundestagsfraktion und Euer Parteivorstand erheben gegen keinerlei Wahnsinn mehr die Stimme." Die Sache mit dem Wehrbeauftragten: Selbst all dies habe sie noch nicht zum Parteiaustritt bewogen, versichert Gaschke. "Aber dann habt Ihr die Sache mit dem Wehrbeauftragten gemacht." Gaschke schließt mit den Worten: "Mir ist es nicht egal, wie Ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe. Da bin ich anders als Ihr. Euch ist inzwischen alles egal." Stegner spottet über Gaschke und Bartels: Die Denkschrift der Kielerin, die inzwischen in Berlin lebt, hat in der Politik und vor allem in der SPD einiges Aufsehen erregt. Der schleswig-holsteinische SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner nannte Gaschkes Abrechnung die "schrille Begleitmusik" zur Wahl der Wehrbeauftragten. Die Menschen hätten allerdings derzeit "wirklich andere Sorgen als die behaupteten parteitaktischen Kabalen bzw. gescheiterten Karrierepläne Einzelner mit erwiesen hohen egomanischen Potentialen". Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier

Austritt aus der Partei - Susanne Gaschke rechnet mit der SPD ab