Tatort-Runde im Kieler Medusa-Café über Borowski und das Klischee über Gaarden

Pädagoginnen, Restauratoren, Verwaltungsleute, ein Schulleiter, ein Jurist, ein paar Künstler, der Vorsitzende des Ortsbeirats: Schon die Zusammensetzung zeigt, dass Gaarden nicht in ein einziges Klischee passt. Doch dem Fernsehen, zumal wenn es fiktive Geschichten erzählt, kann das ja sehr egal sein. Als es dann losgeht auf der Leinwand, macht sich vielsagendes Schweigen breit. Alle sind äußerst aufmerksam dabei, immer mal wieder wird über feinhumorige Dialoge gelacht oder über Allzubekanntes wie die auf den interessanten Namen Sheryl hörende Freundin eines der jugendlichen Protagonisten. Die Sache mit den Klischees ist halt, dass sie immer zum Teil auch stimmen. Für Sozialpädagogin Zekija Cengiz ist es unterm Strich zu viel Klischee. Die Sauforgien, die Missbrauchsgeschichte, das Leiden an der Einsamkeit, die verwahrlosten Wohnungen, sogar die Kleidung, alles erscheint ihr auf Elend gebürstet. Und sie kennt keinen einzigen Fall, keine einzige Familie, wo sich die Dramatik auch nur annähernd in diesem Ausmaß darstellt. Die Gaardenerin Chrissi Agrianidou sieht das mit den Klischees ganz ähnlich. Aber sie verweist zugleich auf die Geschichte dahinter: „Im Grunde ist es doch nur ein Schrei nach Liebe.“ Sie ist nicht allein mit dieser Sichtweise. Michael Breyer, der Leiter der Hans-Christian-Andersen-Schule, spricht von einem „ungehörten Schrei nach Zuwendung“, vom Bedürfnis, mit allen Macken und Unzulänglichkeiten angenommen zu werden. Dieses Bedürfnis, so meint nicht nur Breyer, gibt es in allen Stadtteilen und Schichten. Restauratorin Sabine Leonhardt indes findet schon den Titel „echt hart“. Gezeigt wurden nicht „die Kinder von Gaarden“, sondern Kinder aus einem ganz bestimmten Teil von Gaarden, betont sie. Dabei sei ja die Vielfalt gerade in diesem Stadtteil so groß wie kaum sonst wo: „Das war einfach zu verallgemeinernd.“ Einig sind sich aber auch so gut wie alle, dass es das im Tatort gezeigte Milieu tatsächlich gibt und dass viele Beobachtungen zutreffend sind. Mehr als fraglich ist für die Runde allerdings, ob die normalen Fernsehzuschauer so differenziert hinsehen. Zwar findet Ortsbeiratsvorsitzender Bruno Levtzow den Film „gar nicht so negativ“, doch zugleich verweist er auch auf eine TV-Zeitschrift, in der schon in der Ankündigung vom „Kieler Elendsquartier Gaarden“ die Rede ist. Klar ist jedenfalls eines: Die Angst, Gaarden könnte nach diesem Tatort so hipp werden, dass die Mieten in unerschwingliche Höhen schnellen, darf erst einmal getrost vertagt werden.

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