Tiergehege Kiel-Hammer: Kleine Dexter kommen hier groß raus

Sie sehen knuffig aus, mit ihren gedrungenen Körpern auf kurzen Beinen und dem großen Charakterkopf. Im Galopp sind die braunen und schwarzen Dexter mit ordentlichem Tempo unterwegs, wenn die städtischen Tierpfleger Andreas Staack und Eike Schwarten sie vormittags zu einem kleinen Snack anlocken. Normalerweise reicht ihnen das Nahrungsangebot auf der drei Hektar großen Weide vollkommen. Denn: „Dexter-Rinder sind robust und anspruchslos: Sie ernähren sich das ganze Jahr über draußen von Gras und Blättern“, erzählt Tierpfleger Ole Pöhls. „Damit sie zahm bleiben und die Besucher und uns Mitarbeiter akzeptieren, pflegen wir die Nähe zu ihnen. Dafür gibt es hin und wieder Pellets oder Heu.“ Noch weisen am 15 Hektar großen Tiergehege keine Infotafeln auf die neuen Mitbewohner im beliebten Naherholungsgebiet mit seinen mächtigen Hirschen und Heidschnucken hin. Tarpan-Wildpferde wurden abgegeben: Manche Besucher haben die Tarpan-Wildpferde schon vermisst, die die Zweibeiner immer an den Schutzhütten am Parkplatz begrüßt hatten. „Wir mussten die Pferde an Privatleute abgeben, weil sich ihre Haltung als nicht artgerecht herausgestellt hat“, berichtet Pöhls: „Trotz Fütterungsverbots haben Besucher immer wieder Leckerlis mitgebracht, wodurch die Tiere häufig krank geworden sind. Das konnten wir nicht mehr verantworten.“ Statt der Pferde bereichern nun die munteren, nur gut einen Meter großen Dexter das hügelige Grünland zwischen Autobahn und Eider-Wanderweg. Durch einen Zufall ist Pöhls auf die kleinen Robust-Rinder gestoßen: Auf dem Viöler Bauernmarkt in Nordfriesland hat der Zuchtverband die Besucher über die Dexter informiert. „Ich wusste sofort, dass sie perfekt in unser Tiergehege passen“, erzählt der Tierpfleger des Grünflächenamtes. Ein Kenner der alten Haustierrasse: Zufall war es auch noch, als sich herausstellte, dass der Vorsitzende des Dexter-Verbandes Deutschland gleich in der Nachbarschaft in Kiel-Rönne lebt: Walter Reulecke leitet außerdem den Fleischrinder Zuchtverband Schleswig-Holstein und gehört als Biologe zu den besten Kennern der ursprünglich aus Irland stammenden alten Haustierrasse. „Als ein Bekannter Ende der 90er-Jahre zwei Dexter-Rinder vom Bodensee kaufte, war ich sofort fasziniert von dieser Rasse: Diese kleinen Rinder zu besitzen, hat mich gereizt, zumal ich damals nur wenig Weidefläche bekommen konnte“, berichtet Reulecke. 1999 war es endlich soweit: „Unsere Familie konnte eine kleine Herde von dem bekannten Dexter-Züchter Harald Koch übernehmen.“ Wie so oft, spielten prägende Erlebnisse aus der Kindheit auch bei ihm eine Rolle: „Als Kind verbrachte ich viel Zeit im Harz, wo ich Rinder des Roten Höhenviehs gesehen hatte. Die sympathischen Tiere blieben mir im Gedächtnis, irgendwann stieß ich auf rot-braune Dexter“, erzählt der Züchter. Noch in den 1970er-Jahren drohte die Rasse auszusterben, doch dann fanden sich immer mehr Liebhaber in vielen Ländern, die die Dexter erhalten wollten. Die Herde wächst weiter: Allerdings handele es sich ganz und gar nicht um eine „wilde“ Rinderrasse, wie manche Leute meinen, korrigiert Reulecke. „Wenn sie auf der Weide viel Kontakt mit Menschen haben, bleiben sie handzahm. Selbst den bis zu 500 Kilo schweren Bullen kann man sich gefahrlos nähern.“ Von Hunden lassen sich die charakterstarken Rinder kaum beeindrucken. Nachdem die Stadt einige Kühe und einen Bullen von Reulecke angekauft hat, meldete sich schon Nachwuchs an: Alle Muttertiere haben bereits Kälber geboren, die Herde ist auf 20 Tiere angewachsen. „Dexter sind für unsere Flächen perfekt, denn sie haben den sogenannten goldenen Tritt: Ihre Hufe zerstören auch bei Nässe die Grasnarbe nicht“, erläutert Tierpfleger Ole Pöhls. Die Tiere sollen die Besucher im Tiergehege eine lange Zeit erfreuen, denn die Kühe dürfen hier steinalt werden – bis zu 20 Jahre. Spaziergänger und Gassi-Geher können demnächst auch mehr über die Neuzugänge erfahren: Infotafeln sollen bald kommen. Mehr aus Kiel lesen Sie hier.