Überfall auf Taxifahrer in Kiel: Mann

Seit seiner Festnahme auf frischer Tat am Kieler Holsteinstadion ist der Beschuldigte vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Unter dem Einfluss von „Stimmen“ will er in der Nacht zum 24. April ein Messer gezogen haben, um dem Taxifahrer „Angst einzujagen“. So stellt es der irische Staatsbürger zum Prozessauftakt vor dem Kieler Landgericht dar. Laut Vorwurf stieg der aus dem Irak stammende Mann gegen 3 Uhr morgens an der Elisabethstraße in den Toyota des Zeugen. Doch statt sich wie besprochen nach Friedrichsort chauffieren zu lassen, fordert er den Fahrer auf Höhe des Stadions zum sofortigen Anhalten auf. Als der Zeuge dies aufgrund des Autoverkehrs verweigert, zieht er ein Messer mit 20 Zentimeter langer Klinge aus dem Rucksack. Das Opfer flüchtet unverletzt: „Stopp hier Auto, sonst ich Dir schlachten!“, droht der Drogenabhängige. Laut Vorwurf fordert er Bargeld, greift nach dem Handy des Fahrers und erbeutet 30 Euro. Das Opfer kann auf der B 503 in Richtung Norden kurz vor der Ausfahrt Kiel-Wik anhalten, den Zündschlüssel abziehen und unverletzt aus dem Pkw flüchten. Nach seiner schnellen Festnahme verhält sich der Täter psychisch auffällig. Deshalb wird er zunächst in eine Kieler Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie gebracht. Dort kann er in den folgenden Wochen zwei Mal aus einer geschlossenen Station flüchten. Er wird in die forensische Psychiatrie in Neustadt eingewiesen. Vor Gericht weist der Beschuldigte den Raubvorwurf zurück, das Motiv für den Überfall sei ihm ein Rätsel. Fragen nach dem „Warum“ beantwortet der Beschuldigte mit einer Formel, die das Gericht noch häufiger zu hören bekommt: „Bei Gott, ich schwöre, ich weiß es nicht.“ In der Nacht zuvor habe er exzessiv Kokain, Marihuana und Alkohol konsumiert. Täter berichtet von sexuellem Missbrauch : Dem psychiatrischen Sachverständigen berichtete der Mann, als Kind bei seinen Großeltern im Irak aufgewachsen zu sein. Dort sei er von einem Mann sexuell missbraucht worden, den er in Kiel wiederentdeckt zu haben glaubte. Inzwischen hält der Beschuldigte die Entdeckung seines Peinigers selbst für eine Wahnvorstellung. Doch in der Tatnacht wollte er diesen Mann offenbar in Friedrichsort aufsuchen. „Ich wollte wissen, ob er das ist.“ Dass er unterwegs den Taxifahrer attackierte, sei nicht schlüssig, hält ihm der Sachverständige vor. Auffällig seien auch krasse Widersprüche in den Aussagen zu angeblichen Trink- und Drogenmengen. Streit in der streng muslimischen Familie : Als Hauptkonflikt in seinem wechselvollen Leben schildert der 23-Jährige einen dramatischen Streit in seiner streng muslimischen Familie um seine jüngere Schwester. Die wollte sich scheiden lassen. Als ältester Bruder habe er die Aufgabe gehabt, seine Schwester zur „Vernunft“ zu bringen. Seine Onkel hätten ihn sogar aufgefordert, die Abtrünnige zu töten, um Scham und Schande aus der Welt zu schaffen. Weil er dies nicht wollte, habe er sein Gesicht verloren und den Kontakt zur Familie völlig abgebrochen. „Seitdem ist mein Leben komplett zerstört“, sagt der 23-Jährige. Er habe bei Landsleuten in Kiel Unterschlupf gefunden, vermehrt zu Drogen gegriffen und in den Wochen vor der Tat täglich Kokain konsumiert. Sollte er den Überfall im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben, muss die Kammer prüfen, ob auch künftig eine Gefahr für die Allgemeinheit von ihm ausgeht.