Mit Zwirn und Stoff gegen die Unruhe

Der Verein Herzkissen Aktion Kiel näht jährlich rund 100 Nesteldecken. „Wegen der eingeschränkten Besuchszeiten in der Corona-Zeit sind sie besonders wichtig geworden“, sagt Vorsitzende Ingrid Läufer. 40 ehrenamtliche Näherinnen im Einsatz: Vor zehn Jahren begann der Kieler Verein für Brustkrebspatientinnen, Herzkissen zu nähen. Im Laufe der Zeit kamen neben den rund 25.000 Herzen auch viele andere Nähprodukte hinzu. Ob für Kliniken, Alten- und Pflegeheim oder Hospize: „Wir nähen Port-Kissen, damit der BH nicht so drückt, hübsche Taschen für Katheter oder Lavendelsäckchen zur Beruhigung. Ebenso Kuschelkissen, Sorgenräuber und Frühchenquilts oder Socken für Obdachlose“, sagt Ingrid Läufer. „Meine Mutter häkelt zum Beispiel kleine Eistüten, die bei steifen Händen gut helfen“, sagt Astrid Möller, eine von 40 ehrenamtlichen Näherinnen. Kurzum: Immer da, wo es Menschen nicht gut geht, kommen ihre Handwerkskünste zum Einsatz. „Wir haben Freude am Nähen und es macht Spaß, wenn man damit anderen helfen kann“, sagt Marlene Petersen, zweite Vorsitzende. Immer häufiger werden beim Verein mittlerweile Nestelprodukte, die haptische Erlebnisse unterstützen, nachgefragt. Bei den Fühl-Decken für Demenzkranke zum Beispiel werden diverse Stoffarten mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen und bunten Farben mit Zwirn vereint. Aus Baumwolle, Cord, Fleece, Frottee, Plüsch, synthetischen Stoffen, Fell, Pelz oder Leder entstehen 50 mal 60 Zentimeter große Felder, die zur Decke zusammengenäht werden und einen rutschfesten Stoff als Untergrund bekommen. „Die Decken liegen auf dem Schoß, Tisch oder dem Bett und sollten möglichst nicht rutschen“, sagt Ingrid Läufer. Auch sollten sie waschbar sein. Die Unruhe fixiert sich auf die Decke: Auf den Feldern selbst finden sich eine Vielzahl von Elementen wie Reißverschlüsse, Knöpfe, leere Garnrollen, Fransen, Gummibänder, kleine Täschchen oder abgeschnittene Hemdsärmel. Sie dienen als sensorischer Reiz: „Am schönsten ist alles, woran sie ziehen und zuppeln, sich aber nicht verletzen können“, sagt Ingrid Läufer. Wenn es ganz persönlich sein soll, kann man Dinge einarbeiten, die Erinnerungen wecken. „Die Patienten sind begeistert von den Decken und geben sie ungern wieder ab“, sagt sie. Und die Patienten werden ruhiger, „denn die Unruhe fokussiert sich auf die Decke“. Bei den Decken blieb es nicht, hinzu kamen noch Nestelringe, „die mögen Männer besonders gerne“, sagt Astrid Möller. An Ringen werden unterschiedliche Materialien wie geflochtene Kordeln oder Schleifenbänder befestigt. „Jeder hat so eine Schublade mit Tüddelkram, den man gebrauchen kann“, sagt sie. Finanziert werden die Materialien über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Rund zwei Stunden dauert die Herstellung einer Decke: Rund zwei Stunden brauchen die ehrenamtlichen Näherinnen im Schnitt für eine Decke, jede arbeitet für sich zuhause. „Einmal im Monat treffen wir uns alle zum Stammtisch, das ging wegen Corona ja leider nicht“, bedauert Ingrid Läufer. Die Pandemie bescherte ihnen aber anderen Einsatz: Mehr als 3000 Mundschutz-Masken entstanden. „Was an uns herangetragen wird, versuchen wir umzusetzen“, sagt sie. Doch nicht nur der gemeinsame Plausch unter den Näherinnen wird vermisst. „Wenn wir die Nesteldecken vorbeigebracht haben, gab es auch immer einen persönlichen Plausch mit den Patienten. Das fehlt gerade“, sagt Marlene Petersen. Wer helfen oder selbst aktiv mit der Nähmaschine sein möchte, findet nähere Informationen auf www.herzkissenaktionkiel.blogspot.com. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.

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