Verkehrswende: UV Kiel fordert von der Stadt "Augenmaß"

Der Unternehmensverband äußert scharfe Kritik an der Stadt. „Wir fordern Politik und Verwaltung auf, mit mehr Augenmaß zu agieren und alle Interessen der Stadtgesellschaft zu berücksichtigen“, sagt der Vorsitzende Hendrik Murmann in einer Stellungnahme, in der er seine Sorge um den Standort Kiel ausdrückt. „Ohne Akzeptanz bei Unternehmen, bei deren Mitarbeitenden, deren Zulieferern und nicht zuletzt deren Kundinnen und Kunden kann weder die Mobilitätswende gelingen noch der Wirtschaftsstandort oder die Innenstadt prosperieren“, mahnt Murmann, der die mögliche Sperrung der nördlichen Kiellinie ablehnt. Pendler würden dann auf andere Strecken ausweichen und sich dort der Verkehr mangels Alternativen deutlich verdichten, glaubt Murmann. „Die Kiellinie bietet genügend Platz für alle Verkehrsteilnehmer. Eine intelligente, einspurige Regelung wäre ein kreativer Ansatz, um allen Interessen gerecht zu werden.“ Lesen Sie auch: Weiter Streit um die Kiellinie Nord Grundsätzlich befürworten aber auch die Kieler Unternehmer eine Verkehrswende, die „ganzheitlich über die regionalen Grenzen gedacht, geplant und umgesetzt“ werden müsse. Es dürfe aber nicht der zweite vor dem ersten Schritt getan werden. Eine bessere Anbindung des Umlands sei dringend nötig. Ulf Kämpfer verspricht: „Eine blinde Anti-Autopolitik wird es mit mir auch in Zukunft nicht geben": Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer reagierte mit Freude auf „das ausdrückliche Bekenntnis des Unternehmensverbandes Kiel zur Mobilitätswende“. Weil die Anzahl der Autos in Kiel stetig zunehme, stoße das Straßennetz bereits jetzt vielerorts an seine Belastungsgrenze, sagt Kämpfer. „Wenn wir hier nicht handeln, nimmt die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes immer weiter ab, Staus und Frust hingegen zu.“ Die Stadt wolle das Angebot der KVG stetig ausbauen und die Qualität und Sicherheit der Radwege verbessern. Kämpfer wehrt sich zugleich gegen den Vorwurf, für eine autofeindliche Politik verantwortlich zu sein. Lesen Sie auch: 26 Parkplätze müssen für Fahrradstraße in Kiel weichen „Eine blinde Anti-Autopolitik gibt es dabei nicht und wird es mit mir auch in Zukunft nicht geben. Deshalb setze ich mich für den Weiterbau der A 21 und einen besser und ohne Fahrverbote fließenden Verkehr auf dem Theodor-Heuss-Ring ein.“ Kämpfer betonte, dass die Diskussion über die Kiellinie Nord noch ganz am Anfang stehe. Gleichzeitig räumt er ein: „In der Kommunikation von Maßnahmen und Vorschlägen haben wir sicherlich noch Luft nach oben.“ Zeitgleich gab es Aktionen an der Kiellinie und auf der Brunswiker Straße: Etwa 100 Menschen protestierten am Sonnabend an der Kiellinie gegen eine mögliche dauerhafte Sperrung der nördlichen Kiellinie für den Kfz-Verkehr. Dazu aufgerufen hatte eine jüngst gegründete Initiative von Anwohnern, die befürchten, dass der Verkehrsstrom dann in ihre Wohngebiete drängt. Zum fünften Mal organisierte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC in Kiel zeitgleich eine „Pop-Up-Bike-Lane“, also eine temporär eingerichtete Fahrradspur, auf einer Hauptverkehrsstraße in Kiel. Diesmal war mit Genehmigung des städtischen Ordnungsamtes und Unterstützung des Tiefbauamtes der rechte Fahrstreifen der Brunswiker Straße zwischen Dreiecksplatz und Blocksberg für den Autoverkehr gesperrt und als Fahrradspur eingerichtet worden. „Die Aktion verlief sehr erfolgreich, es gab keinen Stau, keine hupenden Autofahrer, dafür viele Fahrradfahrer, die durch Klingeln und Winken ihre Zustimmung signalisierten, vor allem Lastenfahrradfahrer waren begeistert“, sagte Organisator André Gross. Die Kieler Ortsgruppen vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben sich inzwischen ebenfalls mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Darin loben sie die bisherigen Bemühungen der Stadt „zur Förderung nachhaltiger Verkehrsarten“. Unzufrieden zeigen sie sich dennoch, weil sie „ernsthafte und sichtbare Bemühungen“ vermissen , „den motorisierten Individualverkehr schneller und nachhaltiger zu reduzieren“. Sie fordern ausdrücklich mehr Schritte, die den Pkw-Verkehr in Kiel einschränken.