Versteigerung beim Ordnungsamt: Das passiert mit verlassenen Autos in Kiel

Es ist Punkt 10 Uhr, als sich eine Menschenschar um Lennart Wille vom Kieler Ordnungsamt ringt. Mit seiner knallgelben Weste sticht er aus der Masse heraus. „Ich freue mich, Sie nach der Corona-Pause wieder begrüßen zu dürfen“, ruft er in die Menge am Tonberg – zur Versteigerung von rund 60 verlassenen Fahrzeugen, die im öffentlichen Raum auf den Straßen der Stadt abgeschleppt wurden. Dann erklärt er die Spielregeln: Gebote werden per Handzeichen oder Zuruf akzeptiert, ein Rückzieher ist nicht gestattet. Gezahlt wird mit Bargeld. Jedes Fahrzeug ist mit einer grünen Nummer gekennzeichnet. Dutzende Pkw und Motorroller, aber auch ein Wohnwagen, ein Pferdeanhänger, ein Quad und zwei Boote werden hier heute einen neuen Besitzer finden. Mehr als eine Stunde zuvor wandeln die Interessenten bereits zwischen den teils schwer in die Jahre gekommenen und defekten Gefährten hin und her. Auf der Jagd nach einem Schnäppchen. Einer davon ist Dirk Klapproth. „Das meiste holen sich die Schrotthändler“, sagt der erfahrene Schrauber. Er ist – nicht zum ersten Mal – privat hier und mustert eine Honda Shadow 125. „Besonders interessant sind die Fahrzeuge aus einer Zwangsstilllegung oder diejenigen, die von der Polizei einkassiert wurden.“ Da kann man nämlich Glück haben, dass der Motor noch läuft. Keine Garantie für verlassene Autos in der Kieler Innenstadt: Eine Garantie dafür gibt es aber nicht – darauf weist Wille direkt zu Beginn hin. Bei den meisten Fahrzeugen fehlen zudem Schlüssel und Papiere. Und dennoch kommen immer mehr Menschen zu seinen Versteigerungen. „2018 hatten wir hier 30 bis 40 Leute, nun sind über 100 da“, so Wille. Er erklärt sich das damit, dass sowohl die Schrottpreise als auch die Preise für Gebrauchtwagen derzeit ungebrochen hoch sind. Einige Schrauber verkaufen Ersatzteile weiter und verdienen daran. Andere wiederum wollen die Wagen aufrüsten und selbst nutzen. Für Wille steht bei der heutigen Auktion besonders ein Gefährt im Mittelpunkt: ein roter VW-Bus – ausgebaut, mit Hochdach. Dieser hat auch bei Bernd Karkossa Interesse geweckt. „Fünfzylinder, 78 PS, 2,4 Liter – der beste Motor“, sagt der Besitzer mehrerer Hobbyfahrzeuge und einer privaten Werkstatt. 1977 habe er seinen ersten VW Bus T2 gekauft. Seitdem hat er nach eigener Aussage über 70 VW-Busse in seinem Leben besessen. Er kennt sich also aus. Worauf er bei den Fahrzeugen vor der Versteigerung achtet? „Ich schaue nach Rost, gucke mir den Motor an und achte auf den Kilometerstand“, so Karkossa. Der besagte rote VW-Bus ist ihm bekannt. Dieser habe zuletzt verlassen am Schützenwall gestanden. „Ich habe mir vorher eine Summe X überlegt, bis dahin biete ich mit“, sagt er zu seiner Herangehensweise. Die später aufgerufenen 6500 Euro und damit das Höchstgebot des Tages liegen dann aber doch über seinem Limit. Immer mehr abgemeldete Fahrzeuge zurückgelassen: Dass in den letzten Jahren immer mehr abgemeldete Fahrzeuge unerlaubt in der Kieler Innenstadt stehen, bedeutet auch, dass dauerhaft öffentliche Parkplätze fehlen – nach Schätzungen der Stadt derzeit etwa 200. Vor dem Hintergrund, dass in Kiel die Anzahl an Zulassungen steigt und die Abmeldungen abnehmen, geht somit wichtige Stellfläche verloren. Abgeschleppt wird aufs Jahr gerechnet rund jeden zweiten Tag. „Seit 2018 stellen wir durchschnittlich rund 150 abgemeldete Fahrzeuge pro Jahr sicher“, so Wille. Ein Großteil davon landet bei den Versteigerungen. Lesen Sie auch Baustellen und Sperrungen in Kiel: So ist die Situation am Überflieger, Barkauer Kreuz und der Alten Lübecker Chaussee Konzept in Kiel: Stadt soll die E-Scooter im Verkehr besser regeln Manchmal suchen die Interessenten jedoch schon früher den Kontakt. „Ich bekomme zum Teil schon Anfragen für Fahrzeuge, die noch nicht einmal bei uns auf dem Hof stehen“, sagt der Mitarbeiter vom Ordnungsamt. Schon am Donnerstag werden auf dem Sicherstellungsgelände wieder neue Autos landen, die vor der Versteigerung dort nicht mehr hinpassten. Alle drei bis vier Monate soll eine Auktion stattfinden. An diesem Tag bringt die Versteigerung knapp 36 000 Euro ein. Inwiefern sich das für die Stadt lohnt? „Ein Teil der zuvor verursachten Kosten des Abschleppens und Sicherstellens wird durch die Auktion wieder eingenommen“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Anderenfalls müssten die Fahrzeuge verschrottet werden – eine deutliche Belastung für die Stadt, da diese durch private Dritte erfolgen müsste. Und das bedeutet hohe Kosten. Für Lennart Wille ist aber noch ein anderer Aspekt entscheidend. „Am Ende habe ich so immer das Gefühl, dass mit den Fahrzeugen noch etwas Sinnvolles passiert.“