Videokonferenz geplant: Kieler Ratsversammlung wird digital

Erste Voraussetzung ist allerdings, dass der Stadtpräsident Hans-Werner Tovar und der Oberbürgermeister Ulf Kämpfer wegen der Corona-Pandemie gemeinsam einen Fall von höherer Gewalt feststellen. Der neue Paragraf 35a der Gemeindeordnung definiert solche Fälle für Naturkatastrophen oder vergleichbare außergewöhnliche Notsituationen sowie aus Infektionsschutzgründen. "Onboarding-Programm" für alle 59 Ratsleute: Unabhängig davon haben die Stabsstelle Digitalisierung, die Abteilung Informationstechnik und das Büro des Stadtpräsidenten am 3. März jedem Ratsmitglied schon mal ein „Onboarding-Programm“ geschickt. Das Schreiben liegt den Kieler Nachrichten vor. Danach hat jedes Ratsmitglied am Dienstag oder Mittwoch, 9. oder 10. März, einen etwa 15-minütigen telefonischen Einzeltermin mit der Stabsstelle Digitalisierung. Die Fachleute richten mit den Ratsleuten den persönlichen Account im Programm „KielMeeting“ ein. Das ist eine lokale Variante des erprobten Konferenzanbieters „GoToMeeting“. Am Donnerstag, dem 11. März, soll es für jede der acht Ratsfraktionen eine Testsitzung geben. Darin sollen die Ratsleute mit den Funktionen des Programms vertraut gemacht werden. Wie melde ich einen Redebeitrag an? Wie nehme ich an Abstimmungen teil? Generalprobe ist am 15. März: Generalprobe für alle ist am Montag, dem 15. März, um 17 Uhr. Die Testsitzung soll höchstens eine Stunde dauern. Stadtpräsident Hans-Werner Tovar (SPD) sowie seine Stellvertretungen Robert Vollborn (CDU) und Andrea Haake (Grüne) werden die Videositzung aus dem Ratssaal im Kieler Rathaus heraus leiten. Fachleute aus der Stabsstelle Digitalisierung, der Abteilung Informationstechnik und dem Büro des Stadtpräsidenten stehen ihnen zur Seite. Die drei Sitzungsleiter werden vorher gesondert geschult. Öffentliche Übertragung ins Rathaus: Die gesetzlich gebotene Öffentlichkeit der Ratssitzung am 18. März soll auf zwei Wegen sichergestellt werden. Zum einen überträgt der Offene Kanal Kiel TV die Sitzung wie gewohnt im Fernsehen und im Internet. Zum anderen wird im Rathaus ein Raum vorbereitet, in dem das interessierte Publikum die Sitzung verfolgen kann. Lesen Sie auch: Was Kiel von Stockelsdorf lernen kann Wie die Vorgaben der Geschäftsordnung im Einzelnen digital umgesetzt werden, erfahren die Ratsleute aus einer „Gegenüberstellung“ der analogen mit der digitalen Praxis. Die Liste soll ihnen spätestens zum Probelauf am 15. März vorliegen. Hohn und Spott für die Verwaltung: „Was viel zu lange währt, wird endlich gut?!“ fragt dazu die Ratsfrau Constance Prange (CDU). Die digitalpolitische Sprecherin ihrer Fraktion erinnert daran, dass der Wunsch der Selbstverwaltung nach digitalen Formaten in der kommunalpolitischen Arbeit ein Jahr alt sei. Prange spottet: „Die Landeshautstadt Kiel und allen voran der Oberbürgermeister rühmen sich gerne mit ihrer Digitalen Strategie. Sie stellen darin selbst den Anspruch, ,Teil der digitalen Vorreiterregion Ostseeraum’ zu sein – was wohl mehr Wunsch als Wirklichkeit ist.“ Ortsbeiräte und Beiräte schauen in die Röhre: Sie erwarte, „dass nach einer hoffentlich erfolgreichen digitalen Ratsversammlung zügig die technischen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit künftig alle kommunalpolitischen Gremien digital und sicher tagen“. Lesen Sie auch: Kämpfer unter Druck: Debatte um digitale Sitzungen Hintergrund: Für die Ratsausschüsse, die Ortsbeiräte, die Beiräte für Senioren und für Menschen mit Behinderung sowie den Jungen Rat sieht die Verwaltung digitale Sitzungen weiterhin gar nicht vor. "Wir müssen lernen, mit Corona zu leben": Aber, so Prange: „Wir müssen lernen, mit Corona zu leben.“ Sie fordert den Oberbürgermeister auf, gleichermaßen einen Beitrag zum Schutz vor Corona zu leisten und einen reibungslosen Arbeitsablauf der kommunalpolitischen Gremien zu ermöglichen – „digitale Gremienarbeit, welche in vielen andern Gemeinden, Städten und Ländern schon geübte Praxis ist“.