Mehr als fünf Jahre für Serienräuber

Wegen der Drogenabhängigkeit und einer Persönlichkeitsstörung des in desolaten Familienverhältnissen aufgewachsenen Cannabis-Konsumenten empfahl eine psychiatrische Sachverständige eine mindestens zweijährige Therapie in einer geschlossenen Entziehungsanstalt. Dem folgte die Strafkammer. Doch zunächst bleibt der nicht vorbestrafte Mann in U-Haft, bis ein Platz in der forensischen Klinik in Schleswig frei ist. Erstes Ziel des Räubers war ein Tabakwarenladen: „Geld her!“ hatte der Maskierte erstmals am 6. März in einem Tabakwarenladen in der Innenstadt gerufen. Zügig schritt er auf die Verkäuferin zu, hielt ihr ein Küchenmesser mit 30 Zentimeter langer Klinge vor und forderte 50 000 Euro. „Dies ist nicht die Lottozentrale“, stellte die Zeugin beherzt klar, öffnete dann aber die Ladenkasse und legte 1000 Euro in den Stoffbeutel des Täters. Weil der 22-Jährige selbst weitere 350 Euro aus einer Geldtasche zerrte, wurde er sowohl wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung als auch wegen schweren Raubes verurteilt. Nach dem Vorfall sah sich die psychisch belastete Verkäuferin nicht mehr in der Lage, im Lottoladen weiterzuarbeiten. Sie musste eine Woche pausieren und wechselte dann den Arbeitsplatz. Am nächsten Tag war eine Tankstelle dran: Dagegen stand der Angeklagte schon am nächsten Tag mit Messer und Jutebeutel vor der Mitarbeiterin der Tankstelle in der Werftstraße und rief laut „Überfall!“. Als die Zeugin nicht gleich reagiert, wird sie als „Schlampe“ beleidigt. Auf seiner Flucht mit 240 Euro Bargeld greift der Täter noch schnell ins Tabakregal und steckt für 70 Euro Waren ein. Überfall aufs Fotogeschäft misslang: Zwei Tage später misslingt sein Überfall auf ein Fotogeschäft am Exerzierplatz. Dort bedroht er mit hochgezogenem Schal vorm Gesicht eine Mitarbeiterin. Die Zeugin ruft laut um Hilfe, während der Täter vergeblich auf den Tasten der Registrierkasse herumtippt. Als ein männlicher Kollege in Windeseile die Treppe herunterkommt, flüchtet der Räuber unverrichteter Dinge. Nach diesem Fehlschlag, erzählt der Angeklagte vor Gericht, habe er von weiteren Überfällen abgesehen und zur Finanzierung seiner Drogen lieber Passanten auf der Straße angebettelt. Seine markante Tatbekleidung – eine auffällige Camouflage-Jacke mit weißen Balken – wird ihm bald zum Verhängnis: Die Tatortfotos von der Tankstelle werden im Intranet der Polizei gepostet. Zwei Beamte, die sich sein Outfit gemerkt haben, reagieren sofort, als der Angeklagte ihnen in Gaarden über den Weg läuft. Spürhund führte Ermittler zum Täter: Wie ein führender Ermittler (38) gestern als Zeuge berichtete, hatte ein Spürhund der Polizei nach dem letzten Überfall eine Geruchsprobe von einer Zigarettenschachtel des Täters abgenommen. Mit dem Duft des Angeklagten in der Nase verfolgte das Tier seinen Weg vom Exer zurück auf das Ostufer, vorbei am Tatort Tankstelle bis in die Elisabethstraße. Nicht weit davon entfernt wurde der Angeklagte im April festgenommen. Er gestand sofort alle Überfälle und sitzt seitdem in U-Haft. Angeklagter hatte noch mehr auf dem Kerbholz: Noch drei weitere Anklagen lagen gestern gegen den 22-Jährigen vor. So plünderte er Anfang des Jahres das Konto eines Verstorbenen um 2650 Euro – ein Fall von Betrug und Urkundenfälschung. Zudem schlug er gemeinsam mit einem Komplizen den Verehrer einer Freundin zusammen und beraubte ihn, weil er die Frau um Nacktfotos gebeten hatte. Um das Verfahren zu „verschlanken“, beantragte der Staatsanwalt die Einstellung dieser ebenfalls eingestandenen Vorwürfe. Im Hinblick auf die schwerer wiegenden Raubtaten fielen auch zwei Einbrüche in Gaarden, bei denen er 80 Euro erbeutete, nicht ins Gewicht. Weil das Gericht keinen Vorwegvollzug eines Teils der Haftstrafe anordnete, könnte der Angeklagte bei erfolgreicher Therapie und guter Führung nach zwei Jahren wieder auf freien Fuß gelangen. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.

Vier Tage, drei Überfälle in Kiel - Mehr als fünf Jahre für Serienräuber