Wanderfalken in Kiel am Rathausturm: Ein neues Weibchen aus Schwerin

Wenn Holger Weidmann (76) und Bodo Quante (52) mit Kameras auf Stativen und mit langen Objektiven auf dem Parkplatz hinterm Rathaus stehen und das Geschehen um eine kleine Öffnung oben im Turm beobachten, dann werden sie auch schon mal scherzhaft mit: „Aaah, die Spanner sind wieder da!“ begrüßt. Ihr Interesse gilt dem Wanderfalkenmännchen, das seit einigen Jahren im Rathausturm brütet – noch mehr aber seinem neuen Weibchen, das aus Schwerin nach Kiel gezogen ist. Der auf der ganzen Welt verbreitete Greifvogel war in ganz Deutschland so gut wie ausgestorben: Es ist dieses breite Grinsen, das die beiden Männer an diesem Morgen eint, die Freude darüber, dass Falken wieder den Turm umkreisen. Der eine, Holger Weidmann, ist Pensionär und ehrenamtlich im Seeadler- und Wanderfalkenschutz aktiv. Seiner Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass die Kieler Stadtverwaltung im Jahr 2015 dem Anbringen einer Nisthilfe im Rathausturm zustimmte. Der andere, Bodo Quante, ist Rathausmitarbeiter, hat sich, ebenfalls ehrenamtlich, der Betreuung des Nistkastens und der Beobachtung des Brut- und Nistgeschehens angenommen und wird von seinen Kolleginnen und Kollegen hinter vorgehaltener Hand „unser Falkenpapa“ genannt. Manchmal sagen die beiden Sätze wie: „Es ist ein Wunder“ – und meinen damit die Tatsache, dass es noch, oder besser wieder, Wanderfalken in freier Wildbahn gibt, in Kiel, am Rathausturm und überhaupt. Denn der in 17 Rassen fast auf der ganzen Welt verbreitete Greifvogel war in ganz Deutschland so gut wie ausgestorben: Das in der Landwirtschaft großflächig eingesetzte Insektizid DDT und starke Bejagung haben die Populationen in den 1950er- und 1960er-Jahren in weiten Teilen Europas zusammenbrechen lassen. In Schleswig-Holstein ist 1968 der letzte Wanderfalke registriert worden, in Baden-Württemberg überlebten einige dank intensiver Schutzmaßnahmen und konnten sich allmählich wieder in Richtung Norden ausbreiten. Lesen Sie auch: Die jungen Vögel werden flügge Im Jahr 1995 ließ sich ein erstes Paar wieder in Schleswig-Holstein blicken, seit etwa 15 Jahren kommen die Wanderfalken auch wieder in die großen Städte. Und eine der ersten war Kiel. „Das war eine Sensation“, sagt Weidmann, „als 2006 ein Paar einen von uns gebauten Nistkasten auf dem Kieler Fernsehturm annahm.“ Seitdem brütet in der Landeshauptstadt fast jedes Jahr ein Paar, anfangs weiterhin auf dem Fernsehturm, später im Rathausturm, vergangenes Jahr kam ein zweites erfolgreiches Brutpaar auf einem Schornsteingitter in der Wik hinzu. Und Weidmann hofft, dass sowohl die Deutsche Funkturm GmbH, als auch die Stadtwerke Kiel als Eigentümer der Bauten dem Anliegen seiner AG Wanderfalkenschutz, nämlich dem Anbringen von Nistkästen, zustimmen werden. Das kräftige Tier wurde am 24. Mai 2017 als Jungvogel auf dem Schweriner Dom beringt: Doch zurück zu den Rathausturm-Falken: „Im Januar haben mir Kollegen berichtet, dass sie drei Wanderfalken am Rathausturm gesehen hätten“, erzählt Bodo Quante. Ein Männchen, zwei Weibchen? Deutete sich da schon das Beziehungsdrama an? Inzwischen steht fest: Es gibt eine neue „Hausherrin“, die regelmäßig auf der Plattform vorm Nistkasten gesichtet wird und bereits vom Kieler Naturfotografen Andreas Schulz-Benick abgelichtet wurde. Dabei konnte gleich ihre Identität geklärt werden: Das kräftige Tier wurde am 24. Mai 2017 als Jungvogel auf dem Schweriner Dom beringt. Das Männchen hingegen ist unberingt, aber offenbar dasselbe wie in den vergangenen Jahren – „mit ziemlicher Sicherheit“, sagt Quante, der neue und alte Fotos verglichen hat. Vergangenes Jahr sind im Rathausturm drei Jungvögel geschlüpft und ausgeflogen, jetzt hoffen die Wanderfalkenschützer, dass es mit dem neuen Weibchen auch wieder so gut klappt. Sie werden es bald wissen.