Warnstreiks in Kiel: Kita-Mitarbeiter streiken

Im Gänsemarsch, mit Abstand und überwiegend mit Maske kommen die städtischen Mitarbeiter am Donnerstagmittag auf dem Kieler Rathausplatz an. Aufgrund der ergebnislos gebliebenen zweiten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst haben Gewerkschaften zum Streik aufgerufen. Neben Kiel wird auch in Schleswig gestreikt. Nachdem am Dienstag bereits das Städtische Krankenhaus Kiel und die Stadtwerke Kiel bestreikt wurden, trifft es nun die Stadtverwaltung, den Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel und auch städtische Kitas – 23 von 36 Kindertageseinrichtungen bleiben am Donnerstag geschlossen. Die städtischen Mitarbeiter sammeln sich am Vormittag zunächst vor dem Gewerkschaftshaus in der Legienstraße und ziehen dann zur Kundgebung auf den Rathausplatz. In den Ausstand gegangen sind auch Erzieher der Kita des Familienzentrums Gaarden: "Es fehlt Personal, das System ist kurz vor dem Kollaps und die Ausbildung ist schwierig zu finanzieren", zählt Alessa Borchardt Gründe dafür auf, warum sie die Arbeit niedergelegt hat. "Es ist doof, dass sich der Streik erstmal auf die Bürgerinnen und Bürger auswirkt. Wir wissen auch, dass die Eltern gerade extrem belastet sind. Aber wir müssen fit und gesund sein, damit es den Kindern gut geht", so Borchardt. Erzieher in Kiel halten Warnstreik für gerechtfertigt: Auch ihr Kollege Alexander Twitting findet, ein Tag Warnstreik sei gerechtfertigt. "Wenn nicht jetzt, wann dann? Das ist die einzige Chance, gehört zu werden." Benedikt Langmaack, ebenfalls im Familienzentrum tätig, ergänzt: "Der Erzieher-Beruf muss durch mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen attraktiver werden." So ähnlich sieht das auch Birgit Möller aus der Kindertageseinrichtung Timmerberg. "Ich bin seit fast 30 Jahren Erzieherin und war bei dem großen Streik vor ein paar Jahren dabei. Doch dabei ist nichts rumgekommen." Sie sagt, die Eltern ihrer Kita würden hinter den Mitarbeitern stehen. Elternvertreterin: Situation der Kita-Fachkräfte muss besser werden: Das bestätigt auch Yvonne Leidner, Vorsitzende der Landeselternvertretung der Kitas und Mitglied in der Kieler Kreiselternvertretung. "Wir sind nah an den Fachkräften in den Kitas dran." Deren Situation müsse sich verbessern. "Daher haben wir natürlich Verständnis für den Streik, fragen uns aber auch, wo das noch hinführen soll." Denn die Eltern seien nach der Belastungen im Corona-Lockdown kurz vor dem Kollaps. "Wenn es jetzt dauerhaft Warnstreiks gibt, führt das dazu, dass das System implodiert." Neben der Schwierigkeiten für die Eltern sei eine erneute Kita-Schließung zudem ein Problem für die Kinder. "Sie verlieren damit wieder ihre feste Struktur." Laut Leidner seien die Eltern in Kiel am Dienstag über den bevorstehenden Streik informiert worden. Eine frühzeitige Benachrichtigung sei wichtig, damit man sich um eine Alternative kümmern könne. Verdi: Sind zu Streiks gezwungen: "Dass die Eltern in einer prekären Situation sind, ist uns bewusst", sagt Manuel Gellenthin, der Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi in Kiel-Plön. "Wir haben nicht ohne Grund durchsickern lassen, wann wir streiken." Sie würden dadurch, dass die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen kein Angebot vorgelegt hätten, zur Arbeitsniederlegung gezwungen. Nicht nur die Kitas, auch andere städtische Betriebe sind in Kiel durch die Streiks beeinträchtigt. So fallen bei der Abfallwirtschaft sieben Touren aus, die Stadtteilbücherei Suchsdorf bleibt geschlossen, die in Gaarden ist nur telefonisch erreichbar. Laut Stadt beteiligen sich Beschäftigte aus allen Bereichen der Stadtverwaltung an den Warnstreiks am Donnerstag, doch nicht überall führt das zu Problemen. So finden etwa alle Trauungen im Standesamt statt, auch im Einwohnermeldeamt gibt es keine Einschränkungen. Zweite Runde der Tarifverhandlungen war ergebnislos geblieben: Hintergrund der Warnstreiks in Schleswig-Holstein ist die ergebnislos gebliebene zweite Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Gewerkschaften fordern für die bundesweit rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten 4,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro mehr pro Monat. Neben Verdi hatte auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu den Warnstreiks aufgerufen. "In unserem Land stimmt etwas nicht mit der Wertschätzung für die Beschäftigten in wichtigen öffentlichen Bereichen. Denn Wertschätzung bemisst sich nicht in warmen Worten von Politikerinnen und Politikern, sondern in einer guten Bezahlung", so GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke. Von Arbeitgeberseite gibt es wenig Verständnis für die Arbeitsniederlegung. "Ich halte Streiks in diesem Umfang zum jetzigen Zeitpunkt für völlig daneben", sagt Wilfried Kley, Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Schleswig-Holstein. "Die Arbeitgeber haben klar zugesagt, rechtzeitig vor der nächsten Verhandlungsrunde ein Angebot vorzulegen." Zudem würden die Gewerkschaften durch die Forderung eines Mindestbetrags im Prinzip nicht 4,8 Prozent mehr Gehalt, sondern 5,3 Prozent mehr fordern. "Das ist absolut überhöht." Tarifsteigerungen würden Stadt Kiel rund zehn Millionen Euro kosten: Auch Kiels Personaldezernent Christian Zierau hält die Forderung "angesichts der durch die Corona-Pandemie eingetretenen Lage der öffentlichen Haushalte und der ordentlichen Tarifabschlüsse der letzten Jahre" für zu hoch. "Ab 2021 müsste die Landeshauptstadt Kiel für diese Tarifsteigerung rund zehn Millionen Euro mehr aufwenden", sagt Zierau. Betont aber auch, die Stadt Kiel müsse wie alle öffentlichen Arbeitgeber zukunftsfähig und attraktiv bleiben. "Ich hoffe auf eine schnelle Verständigung und einen angemessenen Abschluss." Die Aktionen am Donnerstag sind laut Gewerkschafter Gellenthin für diese Woche die letzten in Kiel. Die nächsten Verhandlungen mit den Arbeitgebern stehen Ende Oktober an. Ob es in der Zwischenzeit zu weiteren Streiks kommen könnte, dazu will sich der Gewerkschafter nicht äußern. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.