Wegen Corona in Kiel: Ratsversammlung zieht ins Kieler Schloss

Diese Umzugspläne bewegen die Stadt Kiel: Die Ratsversammlung hatte im September ohne Gegenstimmen beschlossen, den Ratssaal zu verlassen, um an anderer Stelle die Corona-Vorgaben besser einhalten zu können. Am Mittwochabend hat der Ältestenrat den neuen Sitzungsort bestimmt: Die Ratsleute ziehen demnach ab der nächsten Sitzung im November in den Festsaal des Kieler Schlosses. Dort werden die Fraktionen bis zum Ende der Pandemie, längstens aber bis August 2021 tagen. Dann wird der Festsaal saniert, ein weiterer Umzug in das Fördefoyer im Schloss stünde an. Nach Informationen der Kieler Nachrichten muss die Verwaltung für den Umzug mit erheblichen Kosten rechnen: So sei eine einmalige Investition in Höhe von 20 000 Euro notwendig, jede weitere Sitzung koste 800 Euro. Neben der Bereitstellung von ausreichendem WLAN sowie acht Laptops und einem Netzwerkdrucker müssen auch 65 Tische gekauft werden. Die Tische, die mit insgesamt 10 000 Euro veranschlagt sind, sollen aber auch nach Corona in einem drei Rathäuser genutzt werden. Kieler Schloss war die günstigste Variante: Wie aus Unterlagen des Ältestenrates hervorgeht, haben sich die Fraktionen für die langfristig günstigste Variante entschieden: Ein Umzug ins Casino der Stadtwerke Kiel (einmalige Kosten 8000 Euro/ pro Sitzung 7333 Euro) wäre mittelfristig ebenso teuer gewesen wie ein Wechsel ins Maritim-Hotel (einmalig 8000 Euro/pro Sitzung 5852 Euro), in die Mensa der Christian-Albrechts-Universität (einmalig 9000 Euro/pro Sitzung 8650 Euro) oder ins Mega Saray (einmalig 9000 Euro/pro Sitzung 3722 Euro). Während die Kooperation aus SPD, Grünen und FDP sowie Die Fraktion bei ihrem Votum blieb und einen Umzug ins Schloss für das Beste hielt, stimmten CDU, SSW und Linke dagegen. Für die Befürworter waren neben dem günstigsten Preis und dem Platzgewinn von rund 200 Quadratmetern auch die bessere Belüftung ausschlaggebend. Die Luft wird im Kieler Schloss mehr als sechsmal (6,27) pro Stunde ausgetauscht – im Ratssaal lag der Wert bei 4,1, im Casino bei 4,5. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt einen Wert von mindestens vier. Aus diesem Grund hatte Stadtpräsident Hans-Werner Tovar schon im September einen Umzug aus epidemiologischer Sicht für nicht erforderlich gehalten. „Ich bin noch immer der Auffassung, dass wir im Rathaus hätten bleiben können“, sagt Tovar, „doch als treuer Demokrat führe ich den Beschluss der Ratsversammlung aus.“ Damals hatten alle Ratsfraktionen – mit Ausnahme von zwölf Enthaltungen – dem Umzug zugestimmt. CDU, SSW, Linke und AfD stimmen dagegen: Zu den Enthaltungen zählte auch die von Rainer Kreutz, frischgebackener Fraktionsvorsitzender der Kieler CDU. Am Mittwoch stimmte er wie seine Fraktionskollegen gegen einen Umzug ins Schloss. „Als der Beschluss im September gefasst wurde, war mir nicht bekannt, dass die Lüftungsanlage im Ratssaal ausreicht“, sagte Kreutz. „Das Geld könnten wir uns sparen.“ Das sehen SPD-Fraktionschefin Gesa Langfeldt und ihre Grünen-Kollegin Anke Oetken anders. „Wir benötigen in der Ratsversammlung vernünftige Arbeitsbedingungen. Alles andere wäre gegenüber einer demokratischen Gesellschaft nicht fair“, sagte Langfeldt. Der Abstand von 1,5 Metern sei im Ratssaal nicht einzuhalten, zudem werde die Luft unten knapp, so Langfeldt. Da die Stadt auch Eigentümerin des Schlosses ist, könnten die Kosten zudem gering gehalten werden. Oetken verweist zudem darauf, dass die Fraktionssitzungen vor der Ratsversammlung mangels entsprechender Räume im Schloss weiterhin im Rathaus stattfinden müssen: „Wir wandern anschließend zusammen zum Schloss. Das ist zwar umständlich, aber machbar.“ Andreas Halle von „Die Fraktion“, der sich im September enthalten hatte, sieht im Kieler Schloss die beste Lösung: „Es ist die günstigste Variante mit der besten Luftwechselrate: Alles andere wäre der Bevölkerung nicht erklärbar gewesen.“