Widerstand gegen Ratssitzung im Schloss: Grüne aus Kiel fordern digitale Sitzung

Ihre Fraktionschefin Jessica Kordouni macht keinen Hehl daraus, dass es ihr nicht schnell genug geht. Sie fordert die Verwaltung auf, endlich die technischen Voraussetzungen für digitale Sitzungen zu schaffen. Pinneberg und Flensburg seien da schon viel weiter als Kiel. Tatsächlich sind digitale Sitzungen rechtlich schon möglich. Im September 2020 hat der schleswig-holsteinische Landtag die Gemeindeordnung entsprechend geändert. Auch die Hauptsatzung der Stadt Kiel sieht digitale Sitzungen mittlerweile vor. Allein die Geschäftsordnungen der Ratsversammlung und ihrer Ausschüsse müssen noch angepasst werden. Kiel ist noch nicht so weit wie Flensburg: Technisch allerdings ist Kiel immer noch nicht soweit, bei Sitzungen im Internet wie vorgeschrieben die Öffentlichkeit herzustellen und sie bei nichtöffentlichen Themen auch wieder auszuschließen. Lesen Sie auch: Ortsbeiräte: Basisdemokratie im Lockdown Flensburg hat in der vergangenen Woche gezeigt, dass das geht. Dort hat der Finanzausschuss der Ratsversammlung digital getagt. Die Öffentlichkeit wurde über einen gebündelten Zugang hergestellt, der für nichtöffentliche Themen wieder geschlossen werden konnte. Für die grüne Kordouni ein Grund mehr, bei der Kieler Stadtverwaltung aufs Tempo zu drücken. Sie fordert, dass schon die nächste Sitzung der Ratsversammlung am 18. Februar im Internet stattfinden kann. Alternative Ideen wurden abgelehnt: Die Grünen hatten vor der gestrigen Sitzung auch auf einem Pairing-Abkommen mit den Oppositionsfraktionen bestanden – ohne Erfolg. Pairing bedeutet, dass bei Abstimmungen die Mehrheitsverhältnisse in der Versammlung auch dann gewahrt bleiben, wenn Ratsleute der Mehrheitskooperation aus SPD, Grünen und FDP fehlen. Ratsleute der Opposition bleiben der Abstimmung dann in gleicher Zahl fern. Das hätte es möglich gemacht, dass Ratsleute in beliebiger Zahl die Sitzung aus Sorge vor Corona schwänzen können. Die Ratsversammlung hätte sich sogar freiwillig halbieren können. Aber CDU, Linke und SSW hätten nicht mitgemacht, berichtete Kordouni. Ratsversammlung Kiel: Darum gibt es kein Pairing: Pairing sei für Krankheitsfälle vorgesehen und nicht für willkürliches Fernbleiben, sagte Oppositionsführer Rainer Kreutz (CDU). Es sei in der Ratsversammlung mit acht Fraktionen und einem fraktionslosen Ratsherrn auch kaum praktikabel. Zum Beispiel gehörten der zweiköpfigen „Fraktion“ zwei Ratsleute aus zwei verschiedenen Parteien an, nämlich Ove Schröter („Die Partei“) und Andreas Halle (Piraten) – schon deshalb könne man keinem von beiden eine Abstimmung verwehren. Immerhin verständigten alle Fraktionen sich auf eine möglichst kurze Sitzung. Die Redezeit wurde auf drei Minuten pro Redner begrenzt. 28 von 37 Tagesordnungspunkten wurden ganz ohne Aussprache abgestimmt. Grüne Ratsfrau wütet auf Twitter: Die grüne Ratsfrau Daniela Sonders machte ihrem Unmut am Vorabend auf Twitter öffentlich Luft. „Keine Verlegung ins Netz, kein Pairing-Abkommen, keine Redezeitbeschränkung. Obwohl die Grünenfraktion versucht hat, all dies durchzusetzen. Unfassbar. Wie erklärt man das den Bürger:innen?“ twitterte sie. In einem zweiten Tweet wurde Sonders persönlich: „,Alte weiße Männer’ haben Schiss um ihre 35 Minuten Sendezeit im Offenen Kanal und/oder ihre drei Zeilen im Lokalblatt.“ Im dritten Tweet legte die Ratsfrau nach: „Wir lernen: Dass Kiel einen niedrigen Inzidenzwert führt, ist ausreichend, um circa 80 Leute für zwei bis vier Stunden in einen Raum voller Redner:innen zu stecken. Gibt ja auch keine Mutationen oder Ähnliches. Sportstätten, Gastronomie, lokale Geschäfte und natürlich Eltern sollten genau hingucken.“ Lesen Sie auch: Ab wann gilt die Pflicht, medizinische Masken zu tragen? 15-Kilometer-Regel in Schleswig-Holstein: 12 Ausnahmen wurden definiert Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Einmal in Fahrt, griff Sonders ihre Ratskollegen an: „Wer meint, dass nicht zu tagen oder online zu tagen oder mit weniger Leuten zu tagen die aller-aller-schlimmsten Konsequenzen nach sich zieht (Bürger:innen könnten klagen!!), denen ist mit Vernunft nicht beizukommen. Die glauben ja wirklich, ein Vorbild zu sein.“