Wie echte Ermittler Krimis sehen

„Was warf das für ein Bild auf die Polizei, als Borowski mit dem alten VW-Passat durch Kiel gefahren ist? Wir haben selbstverständlich neue Wagen", sagt Winkler. Ein Polizist hätte sofort ein Disziplinarverfahren bekommen, wenn er seinen Wagen mit einem Schuss in die ewigen Jagdgründe geschickt hätte, so wie es der Kieler Fernsehkommissar getan hat. Zudem hätte der Schuss auf den Motorblock einen gefährlichen Querschläger auslösen können. Dass sich Borowski kaum Notizen macht, löst bei den echten Beamten nur ein Kopfschütteln aus. So füllt ein tatsächlicher Mordfall mit Vernehmungsprotokollen, Gutachten und Untersuchungsergebnissen mehrere Aktenordner. Über die Tatortarbeit im Fernsehen kann Winkler nur schmunzeln. Zwar tragen die Kriminaltechniker im Film Schutzanzüge, doch die Kommissare kommen in Zivil und hinterlassen so jede Mengen Spuren. Auf diesen Fauxpas hat Winkler das Filmteam bereits hingewiesen – er wurde in den Kieler Folgen abgestellt. Columbo alias Peter Falk ermittelte in der amerikanischen Krimiserie sogar mit brennender Zigarre neben der Leiche. Zudem setzen sich die TV-Kommissare immer einer großen Gefahr aus, wenn sie mit gezückter Waffe in ein von Gangstern besetztes Haus gehen, nachdem das SEK die Tür eingeschlagen hat. „Sollte so etwas in der Realität vorkommen, befrieden die Spezialkräfte die Situation und geben uns dann erst grünes Licht. Dafür sind sie ausgebildet“, erklärt Winkler. Wenn die Filmpolizisten Verdächtige mit Handfesseln zum Beispiel an die Heizung ketten, könne das Freiheitsberaubung sein. Auch wenn Sarah Brandt (Sibel Kekilli) als IT-Spezialistin an der Seite von Borowski ermittelt, hat das mit der wahren Tätigkeit wenig zu tun. „So schnell wie sie hackt man sich nicht in fremde Rechner. Die Erkenntnisse wären ohne richterlichen Beschluss auch nicht verwertbar. Dahinter steckt in dem Fall eine Straftat“, erklärt Winkler. Auf eigene Faust können die Kieler Kommissare auch nicht einfach in Schweden auf Mördersuche gehen. Dazu bedarf es der Amtshilfe der Kollegen vor Ort. Bei echten Fällen wären die Kieler nur Beobachter oder hätten eine untergeordnete Rolle. Wenn Horst Schimanski (Götz George, Duisburg) oder Nick Tschiller (Til Schweiger, Hamburg) auf Verbrecherjagd gehen, wird es besonders haarsträubend für Winkler. „Wer ohne Durchsuchungsbeschluss eine Tür eintritt, ins Haus geht und Dinge mitnimmt, begeht Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Diebstahl“, sagt Kiels oberster Mordermittler. Es sei fatal, wenn Laien glaubten, so arbeite die Polizei. Aber Winkler ist Profi: „Aus Lokalpatriotismus gucke ich die Kieler Tatorte, die besser geworden sind. Sie unterhalten gut.“

Kieler "Tatort" - Wie echte Ermittler Krimis sehen