Regentropfen rinnen wie in einem Wettlauf die weißen Zelte hinunter, platschen dumpf auf den Holzboden und die hübsch arrangierten Stühle im Hiroshimapark. Im Inneren des Bühnenzeltes haben es sich fünfzig Kinder und Eltern auf Kissen und Bänken gemütlich gemacht. Denn während der Kieler Woche ist jeden Tag ab 14.45 Uhr Kinderprogramm beim Kieler-Woche-Hoftheater.
Bei Anja Kosanke und Dörte Lowitz vom Figurentheater Wolkenschieber herrscht so kurz vor der Aufführung höchste Konzentration. Erdmännchen, Warzenschwein, Löwe und die anderen Puppen müssen an die richtigen Stellen geräumt werden. Bis zu zwei Stunden kann es dauern bis Bühne, Requisiten und Figuren so stehen, wie es für den reibungslosen Ablauf notwendig ist. Drei Mal hintereinander wird das Stück „Tafiti und Ur-ur-ur-ur-ur-uropas Goldschatz“ gespielt. Die zwanzig-minütigen Pausen dazwischen reichen gerade einmal, um alles zurückzuräumen, auf die Toilette zu gehen und eine Halstablette zu lutschen. „Da kommt man schon durcheinander und fragt sich, ob man die eine Szene schon in diesem Durchgang gespielt hat oder noch nicht?“, sagt Figurenspielerin Anja Kosanke. Trotzdem ist die Kieler Woche eines der Highlights für die gelernte Musicaldarstellerin: „Die Atmosphäre ist ganz besonders und ich finde es schön, dass die Familien kostenlos herkommen können.“
Das Aussehen der Puppe ist wichtig
Kosanke liebt das Theater für Kinder: „Sie sind das ehrlichste Publikum und zeigen sofort, ob ihnen etwas gefällt oder nicht“. Das Ensemble denkt sich die Stücke gemeinsam aus und legt auch bei der Puppenherstellung Hand an. Für den Erfolg eines Stückes ist das Aussehen der Puppen wichtig.
„Die Figuren müssen klar und griffig sein, damit sie beim Spielen lebendig werden“, sagt Andreas Schauder, der seit 14 Jahren für das Programm im Hoftheater zuständig ist. Acht verschiedene Ensembles treten während der Kieler Woche auf. Das Programm ist vielfältig. Vom märchenhaft-romantischen Stück bis hin zur Missbrauchsthematik ist alles vertreten. Gerade bei schwierigen Themen erleichtern die Figuren das Zusehen, stellt Schauder fest: „Ich kann diese Welt betrachten, aber wenn es zu intensiv wird, gibt es immer noch die Hintertür, dass es nur Spaß ist.“ Inzwischen hat sich der Schauspieler selbst mit dem „Puppenvirus“ infiziert und ist seit kurzem mit Puppe Jürgen und dem Programm „Gespräche zwischen Mann und Tau“ unterwegs. „Zu Beginn dachte ich ,Ach, das kann ich auch` und musste dann schnell feststellen, dass es viel schwieriger ist“, sagt Schauder. Statt als eine Person auf der Bühne zu stehen, müsse man schließlich gleich zwei Personen verkörpern, die auch noch miteinander interagieren. Tempo, Stimme und Dialekt müssen aufeinander abgestimmt sein.
Erwachsene kommen auch gerne
Figurentheater ist keineswegs nur Kinderkram. „Die Stücke hier im Hiroshimapark haben alle eine gewisse Ironie und sind geistreich, damit auch die Eltern Freude daran haben. Nicht selten leihen sich Erwachsene Nichten, Neffen oder Patenkinder aus, um herkommen zu dürfen“ sagt Schauder und scherzt: „Vielleicht machen wir mal einen Kinderverleih auf.“ Neben dem Figurentheater am Nachmittag und Abend sorgen die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Kiel für ein stimmungsvolles Ambiente. Ein großer Kontrast zur sonst oft lauten Kieler Woche. Auch Schauder gibt zu „Es ist hier ein bisschen leiser, ein bisschen feiner, aber keinesfalls weniger lebendig.“
Dieses umfangreiche Programm wird auch durch die Unterstützung des Kieler Woche Fördervereins ermöglicht. „So können wir eine tolle Auswahl an Künstlern bieten, ohne dabei immer auf den Taschenrechner schielen zu müssen“, sagt Schauder. Und wenn es nach ihm ginge, kann es ewig so weitergehen: „Ich habe noch genug Träume, um das Ganze mindestens zwanzig Jahre lang abwechslungsreich zu halten.“