Chronik Eckernförde: Angst vor fiesen Neujahrsgrüßen

Postkarten waren damals im Deutschen Reich seit etwas mehr als 20 Jahren zugelassen, doch noch längst nicht weit verbreitet. Bereits kurz vor Weihnachten 1895 beschäftigten sich die „Eckernförder Nachrichten“ mit einer aus heutiger Sicht vielleicht ungewöhnlichen Frage: Ist die Mahnung mittels Postkarte eine Beleidigung? „In kaufmännischen und auch anderen Kreisen herrscht vielfach die Ansicht, dass der Inhalt einer Postkarte, in welcher Jemand um Bezahlung einer Schuld gemahnt wird, unter allen Umständen als Beleidigung anzusehen sei“, berichteten die „Eckernförder Nachrichten“. Das dürfte vermutlich damit zu tun gehabt haben, dass sich auf Postkarten kaum verbergen lässt, aus welchem Grund der Empfänger diese Nachricht erhalten hat. „Nach Ansicht des Kammergerichts ist jedoch eine solche Mahnung an sich noch keine Beleidigung“, so der Artikel weiter, „wenn nicht die Form, in welcher die Mahnung abgefasst ist, einen beleidigenden Inhalt trägt.“ Zu hässlich: Manche Karten blieben "besser ungedruckt": Gänzlich unproblematisch sollten da eigentlich Neujahrsgrüße sein, die man per Postkarte an Freunde und Familie schickt. Doch auch hier, so die „Nachrichten“, läge teilweise einiges im Argen. „Es ist ja eine schöne Sitte, Verwandten und guten Bekannten zum Jahreswechsel, der so inhaltsvoll ist, einen herzlichen Glückwunsch darzubringen, den ein jeder gebrauchen kann und gern entgegennimmt.“ Allerdings würde sich unter den „einfachen und bunten, prosaischen und phantasievollen Glückwunschkarten“ auch „manche Spreu“ befinden, die „besser ungedruckt bliebe und nicht zum Versand gelangen sollte.“ Besonders verwerflich: Anonym einen Neujahrsgruß zu schicken: Die „Nachrichten“ dachten dabei an „kleine, niedrig oder hämisch denkende Elemente“, die sich Neujahr das gönnen, „was sie selbst einen kostbaren Ulk, andere aber eine Gemeinheit nennen“. Es sei schlicht niederträchtig, jemanden anonym einen Neujahrsgruß zu schicken, „über welchen der Empfänger sich heftig ärgert.“ Würden solche Postkarten in die falschen Hände geraten, könnten sie „auf den Empfänger ein grelles Licht werfen“. Besonders abscheulich sei es, wenn solche Karten „an weibliche Personen gesandt werden, und manche Woche Gefängnis würde den Absendern, falls man sie zu fassen vermöchte, für ihren ‚Scherz‘ zugesprochen werden.“ Lesen Sie auch: Weitere Nachrichten aus der Region Wie groß dieses „Postkarten-Problem“ in den ersten Tagen des Jahres 1896 tatsächlich war, verraten die „Nachrichten“ nicht. Der Jahreswechsel zumindest vollzog sich vor 125 Jahren in der Stadt „in ruhiger Weise. Auf den Straßen war wenig von dem sonst üblichen Radau zu bemerken und die Polizei wird wohl kaum Ursache zum Einschreiten gehabt haben. Einige Vereine hatten sowohl zum Silvesterabend wie am Neujahrstage Lustbarkeiten veranstaltet, welche zahlreich besucht wurden.“