Eckernförde: Kirchturmuhr von St.Nicolai gab lange Zeit die falsche Zeit an

Die Uhrzeit richtet sich eigentlich nach dem Lauf der Sonne: Um 12 Uhr mittags sollte diese den höchsten Punkt ihrer täglichen Bahn am Himmel erreicht haben. Allerdings hängt dieser Zeitpunkt vom jeweiligen Längengrad ab und ist daher von Ort zu Ort verschieden – ein Phänomen, was jeder kennt, der einmal Verwandte oder Freunde in den USA erreichen wollte und nicht daran gedacht hat, dass dort noch tiefe Nacht ist, wenn wir in Europa morgens schon mit der Arbeit begonnen haben. Bei der Zeitmessung orientierte man sich tatsächlich am Stand der Sonne: Im Deutschen Reich orientierte man sich bis ins 19. Jahrhundert hinein bei der Zeitmessung tatsächlich am Stand der Sonne: Dadurch gab es zwischen einzelnen Städten deutliche Zeitunterschiede – von der Ost- bis zur Westgrenze des Reiches konnte diese Ortszeit um bis zu eine Stunde variieren. Das wurde, insbesondere nach dem Bau eines reichsweiten Eisenbahnnetzes, natürlich zunehmend unpraktischer, weshalb sich die Eisenbahngesellschaften bald auf eine „Eisenbahnzeit“ einigten, die dann in die jeweilige Ortszeit umgerechnet werden konnte. Am 1. Juni 1891 legten die deutschen Eisenbahngesellschaften schließlich die Zeit des 15. Längengrades als „Mitteleuropäische Eisenbahn-Zeit“, kurz „M. E. Z.“ fest. Der 15. Längengrad, der in etwa durch die Stadt Görlitz verläuft, lag damals fast genau in der Mitte des Deutschen Reichs und bot sich daher für diesen Zweck an. Die "Eisenbahnzeit" wurde 1893 schließlich die für das gesamte Deutsche Reich gültige Zeit: Aus der Eisenbahnzeit wurde zum 1. April 1893 schließlich die für das gesamte Deutsche Reich gültige Zeit. In einem Brief des Königlichen Regierungs-Präsidenten vom 21. März 1893, der sich noch im Stadtarchiv befindet, wurde die Stadt Eckernförde gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass zum 1. April 1893 „alle öffentlichen Uhren überein-stimmend nach der neuen Zeit eingestellt werden.“ Zuverlässige Angaben über die neue Zeitbestimmung, heißt es im Schreiben weiter, seien beispielsweise bei allen Eisenbahnstationen zu erhalten. Die Kirchturmuhr von St. Nicolai war die wichtigste Uhr von Eckernförde: Die wichtigste Uhr in der Stadt war damals die Kirchturmuhr von St. Nicolai, für deren Wartung und Betrieb aus diesem Grund auch nicht die Kirchengemeinde zuständig war, sondern die Stadt. Diese wiederum betraute einen örtlichen Uhrmacher mit der Aufgabe, die Uhr regelmäßig aufzuziehen, zu stellen und zu warten. Am 13. März 1901 entschied der Magistrat beispielsweise, damit den Uhrmacher Kessel zu betrauen – und nicht nur dies: Kessel solle, so der Beschluss, „die Uhr fünf Minuten vor Postzeit stellen.“ Lesen Sie auch: Chronik Eckernförde: Probefahrt endet mit einer Tragödie Chronik Eckernförde: Wie Eckernförde zum Fußgängerparadies wurde Warum die Eckernförder Kirchturmuhr auf Magistratsbeschluss fünf Minuten vorgehen sollte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen – und geriet wohl im Laufe der Jahre auch im Rathaus in Vergessenheit: Allerdings hob der Magistrat erst im Dezember 1927 den Beschluss aus dem März 1901 auf und bat Kessel in einem Schreiben, „in Ihrer Eigenschaft als Turmuhraufseher in Zukunft streng darauf zu achten, dass die Uhr stets mit der Normalzeit übereinstimmt.“