Ein dritter Ort für Neuwittenbek: Wenn der Bücherbus das Dorf belebt

Die Büchereizentrale in Rendsburg, die 13 Fahrbüchereien für den ländlichen Raum Schleswig-Holsteins unterhält, will nicht nur Lesestoff liefern. Sie plant, auch Wohlfühlatmosphäre, Kulturgenuss und Kommunikation im Dorf in Schwung zu bringen. Um ein solches Konzept auszufeilen, sind fünf Pilotgemeinden im Land ausgewählt. Darunter sind Neuwittenbek und Sehestedt. "Wir sind stolz, dass wir ausgesucht wurden. Dafür konnte man sich nicht bewerben", betont Bürgermeisterin Waltraut Meier (SPD). "Und das passt genau zu unserem Plan, dem Ortskern noch mehr Leben einzuhauchen, unsere gute Dorfgemeinschaft weiter zu festigen, jungen Menschen etwas zu bieten und Neubürger einzubinden." Neuwittenbek konnte sich nicht um das Bücherbus-Projekt bewerben: Neuwittenbek hat gerade mal 1250 Einwohner. Altwittenbek ist schon mitgezählt, ebenso die Dorfteile Levensau, Warleberg-Landwehr und Fahrenhorst. Im Sommer erfuhr die Kanal-Gemeinde, die einen Steinwurf von Kiel-Suchsdorf entfernt ist und sich dennoch den ländlichen Charakter erhalten möchte, dass sie einen dritten Ort kreieren darf. Mitte November gab es das erste Treffen. Lesen Sie auch: Fahrbüchereien bieten Saatgut an Am Konzept sollen auch die Bürger mitschmieden. Sie dürfen ihre Wünsche und Ideen einbringen. Meier: "Das erste Treffen war noch für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Es musste, wie fast alles gerade, online stattfinden. Wir haben dabei erfahren, wie dritte Orte in der Realität aussehen können. Das war sehr spannend. Ich hoffe sehr, dass wir wie geplant im Frühjahr den ersten Live-Workshop mit Bürgern haben." Große Büchereien machen sich als Kulturzentren auf den Weg: Große öffentliche Büchereien in Deutschland nehmen die Idee dritter Ort nach Worten von Julia Wallbaum vom Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Büchereizentrale schon ins Visier. Vorbilder für die Bibliothek der Zukunft, die viel mehr als analoge Bücher und digitale Medien bietet, findet man in Skandinavien. Im dänischen Aarhus wurde mit Dokk1 auf 28.000 Quadratmetern ein Multimedia-Ort für ganze Familien geschaffen. Er bietet Raum zum Bücherleihen und Schmökern, Arbeiten am Laptop, zur Vermittlung medialer Techniken. Da ist auch Platz und Anregung zum Spielen, sich Verkleiden. Auch ein Veranstaltungssaal gehört zu dem kulturellen Zentrum. Obendrein ist der städtische Bürgerservice im Dokk1 untergebracht. In der Helsingör ist in die große Kulturvaerft, das kulturelle Herz der Stadt, die Zentralbibliothek integriert. Neuwittenbek mit seinen 1250 Einwohnern ist damit nicht vergleichbar. Wallbaum: "Aber in Kooperation mit einem Markttreff, wie es ihn in Sehestedt gibt, vergleichbaren Dorfläden sowie Volkshochschulen kann auch die Fahrbücherei vieles anstoßen." Der Höker von Neuwittenbek hat schon heute eine Bücherecke: In Neuwittenbek könnte demnach der Dorfladen Der Höker gegenüber vom neu gestalteten Dorfplatz Dreh- und Angelpunkt werden. Ein Arbeitskreis von Bürgern und Kommunalpolitikern machte sich im Rahmen der Ortsentwicklung Gedanken, wie dort das Leben pulsieren könnte. Der Kaufmannsladen, den die Pächterin ohne Gewinn betreibt, hat schon heute eine Leseecke mit Bücherregal, das die Bürger bestücken. Im Sommer stehen Tische auf der winzigen Terrasse. Dort trifft sich die Nachbarschaft. Gegenüber am Buswendeplatz stoppt der Bücherbus. Wird der Dorfplatz von Neuwittenbek der Wohlfühlort der Bürger? Wäre ein Umzug des Höker-Ladens in einen Neubau mit Raum für Lesungen, Veranstaltungen und Café denkbar? Die Bürgermeisterin: "Der Arbeitskreis hat so eine Idee formuliert. Es wäre traumhaft, wenn das dabei herauskäme. Aber dafür bräuchten wir finanzielle Förderung und langen Atem. Ich sehe den Höker momentan eher in seiner heutigen Form als Partner für den dritten Ort." Für die Konzeptentwicklung binnen der kommenden zwei Jahre in den fünf ausgesuchten Gemeinden - außer Neuwittenbek und Sehestedt sind das Christiansholm, Tetenhusen und Haale - stehen laut Wallbaum 220.000 Euro zur Verfügung. 200.000 Euro gibt die Kulturstiftung des Bundes aus dem Förderprogramm "Hochdrei - Staatsbibliotheken verändern". 20.000 Euro steuert das Land bei.