Gettorf: Seit 175 Jahren baut Firma Wiese Brunnen und Leitungen

„Wahrscheinlich sind wir deutschlandweit der einzige Betrieb der Branche, der das von sich sagen kann“, sagt Firmenchef Matthias Wiese. Sein Vater Friedrich, der agile Senior des Familienbetriebs am Hasselrott, lächelt verschmitzt. Das Duo, 60 und 82 Jahre alt, ist ein schlagkräftiges Team, das immer nach vorn geschaut hat. Ihr altes Handwerk, das am 1. Januar 1846 noch während der Gutsherrschaft am Ortsrand von Gettorf mit dem Bohren nach Trinkwasser an den Start ging, hatte von Beginn an Zukunft. Firma Wiese aus Gettorf setzt heute auch auf die Nutzung von Erdwärme: „Heute gilt das umso mehr“, setzt der „Junior“ hinzu. „Einwandfreies Trinkwasser ist unser aller Lebenselixier. Und wir haben unser Tätigkeitsfeld erweitert um eine Technologie der Zukunft. Wir installieren Erdwärmesonden zur Versorgung mit Heizwärme i n öffentlichen und privaten Gebäuden. So kann sehr viel Treibhausgas, nämlich Kohlendioxid, eingespart werden.“ Rückblende: Am 1. Januar 1846 lässt sich Ernst Hinrich Wiese mit seinem Handwerk Pumpen- und Brunnenbau am Hasselrott nieder. Zu dem Reetdachhäuschen gehören 3,5 Hektar Land. „Das mussten Handwerker damals haben, damit sie sich versorgen konnten und nicht den Gutsbesitzern auf der Tasche lagen“, klärt Friedrich Wiese auf. Dieses Stück Land hinter dem Betrieb sollte sich die viele Jahre als Glücksfall erweisen. „Mit hölzernen Handpumpen förderte mein Ur-Ur-Urgroßvater Wasser aus bis 20 Meter tiefen Schachtbrunnen“, erläutert Matthias Wiese. „ Als 1869 die Gettorfer Mühle gebaut wurde, hat er den Brunnen dort gebohrt und die erste Handpumpe gefertigt.“ Im ersten Weltkreig 1905 baut Friedrich Wiese aus Gettorf in Mazedonien Brunnen : 1875 vererbt der Urahn seinen Betrieb an Sohn Johann Hinrich. Der stellt jetzt auch landwirtschaftliche Maschinen. Ein Jahr später erhält Gettorf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Es geht bergauf mit der selbstständigen Gemeinde, die lokale Wirtschaft floriert. Die dritte Generation führt nun den Betrieb: Friedrich Wiese übernimmt 1905. Als Soldat im Ersten Weltkrieg muss er in Mazedonien Brunnen bauen. Nach Kriegsende kann er in der Heimat weiterarbeiten. Doch bald schränkt der Zweite Weltkrieg das Handwerk wieder ein. Mit Kriegsgefangenen und Heimatfrauen kann Friedrich Wiese die Wasserversorgung in Rendsburg-Eckernförde sichern. Im Krieg und auch danach dient das Land im rückwärtigen Teil des Hasselrotts wieder der Eigenversorgung. Hier werden Haustiere gehalten, Obst und Gemüse angebaut. Senior-Chef der Firma Wiese aus Gettorf ist auch Sprengmeister: 1945 übernimmt Johann Wiese den väterlichen Betrieb in vierter Generation. Siedlungsprojekte und die zunehmend elektrifizierte Wasserversorgung auf dem Land bringen Schwung ins Geschäft. Zum 125. Bestehen des Betriebs tritt sein Sohn Friedrich Wiese, der heutige Senior, in die Fußstapfen des Vaters und übernimmt die wachsende Firma. Er beherrscht drei Handwerke: Brunnenbau, Gas- und Wasserinstallation, und er ist Sprengmeister. „Wir bohren auch sehr tiefe Brunnen für Wasserwerke. Da müssen oft Steinbrocken gesprengt werden, die vor einer nutzbaren wasserführenden Schicht liegen“, erläutert er seinen Werdegang. Sein Sohn Matthias, der Brunnenbaumeister ist, macht er 1986 zum Miteigentümer. Er ist schließlich in sechster Generation am Zug und dehnt die Aktivitäten der Firma weit über den Norden Deutschlands hinaus aus. Ab 1989 realisiert er etliche Großprojekte der Trinkwasserversorgung in den neuen Bundesländern. Die siebte Generation von Wiese Brunnenbau steht in den Startlöchern: „Bald stehen meine Söhne parat, die den Betrieb übernehmen sollen und wollen“, freut sich der heutige Chef von 25 Mitarbeitern. „So etwas ist nicht selbstverständlich.“ Für Jaro Wiese (30) steht gerade die Meisterprüfung als Brunnenbauer an. Julio (23) ist noch im dualen Studiengang Ingenieurwesen mit Schwerpunkt Rohrleitungsbau. Beide sammeln zunächst wie Vater und Großvater in externen Unternehmen Erfahrungen, die sie mit nach Gettorf bringen werden. Die Entscheidung, die Jubiläumsfeier aufgrund der Corona-Pandemie abzusagen, sei nicht leicht gefallen, geben Senior und Sohn zu. „Vielleicht können wir sie nachholen. Jetzt aber blicken wir, wie immer, nach vorn. Wir sind im Zeichen des Klimawandels zunehmend gefordert, Technologie, Expertise und Herzblut auch in die Nutzung von Erdwärme zu stecken. Diese Herausforderung nehmen wir gern an. Das dient nicht nur uns, sondern allen.“