Lernen und Lehren in Zeiten von Corona

Lia Schwarze aus Kiel-Schilksee schläft jetzt morgens erst mal aus, läuft dann eine Runde: Auf das Training im Wasser muss die Leistungsschwimmerin derzeit ja verzichten. Dann schaut die angehende Abiturientin nach den Aufgaben, die ihre Lehrer meist vormittags schicken. Schüler lernen jetzt digital: Jetzt, gegen 13 Uhr, hat sie gerade ihre Deutsch-Hausaufgaben erledigt. „Da gibt es ein Wichtig-Wiki mit Infos für das Abitur“, erzählt die 18-Jährige. Das teilt sich ihre Altenholzer Klasse intern. Gab es auch schon, bevor alle Schulen wegen des neuartigen Coronavirus geschlossen wurden. Aber jetzt können die Gymnasiasten auch von zu Hause aus darauf zugreifen. „Ich finde das digitale Arbeiten total toll“, sagt Lia mit hörbarer Begeisterung: „Ich habe viel mehr Zeit, mir das einzuteilen – das ist fast besser als Schule.“ Allerdings fehlt ihr das Persönliche, der Kontakt zu den Mitschülern. Herausforderung: Selbst Struktur schaffen: Und: „Es ist auch eine Herausforderung, sich diszipliniert an die Arbeit zu machen“ und nicht zu netflixen. Sie arbeitet deshalb zu bestimmten Zeiten, meist von 11 bis 15 Uhr. Ebenfalls im Homeoffice ist ihre jüngere Schwester, die Elftklässlerin Rieke (16). „Das ist cool, weil sie sehr gut in Mathe ist und gut erklären kann“, erzählt die ältere Schwester. Die wiederum ist gut in Bio, kann der Jüngeren da gut helfen. Beim Lernen tauscht sich Lia Schwarze zudem mit ihrer Freundin Laura Hellmann (18) aus Altenholz aus: „Wir telefonieren miteinander, haben heute schon die Folien für Bio verglichen.“ Die beiden Schülerinnen lernen in der Laptopklasse – ein Pilotprojekt am Gymnasium Altenholz, bei dem im Rahmen des Biologieprofils das digitale Lernen erprobt wird. Das hilft in Zeiten, in denen diese Unterrichtsform ganz plötzlich in den Mittelpunkt gerückt ist. Pro Tag kommen mehrere Arbeitsaufträge: An diesem Tag hat Lia sich schon mit Wipo-Aufgaben, Deutsch und Chemie beschäftigt. Meist gibt es zwei, drei Arbeitsaufträge pro Tag von den Lehrern, erklärt sie. Aber „es wird schwerer, weiter konstant zu lernen“. Die 18-Jährige hofft, dass es nach den Osterferien wieder mit dem Unterricht im Gymnasium Altenholz weitergeht. Dann sollen innerhalb einer Woche alle drei Abi-Klausuren geschrieben werden: „Das wird ordentlich stressig!“ Allerdings: Sicher sind die Termine nicht, auf die die Altenholzer Abiturienten sich jetzt vorbereiten: Alles hängt von der Entwicklung in Sachen Corona ab. Ungewissheit in Sachen Abitur: „Diese Ungewissheit setzt einem am meisten zu“, erklärt Mitschülerin Laura Hellmann. Da hinterfragt man schon mal, „ob man wirklich schon anfangen sollte zu lernen“. Oder doch lieber noch ein, zwei Wochen die Entwicklung beobachtet. Zumal es zu Hause in Altenholz-Klausdorf viel Ablenkung gibt. Doch sie versucht, möglichst regelmäßig zu arbeiten. Die Vorbereitung auf digitalem Weg sei nicht schlimm. In ihren Abi-Themen war der Lernstoff schon durch. Und man könne ja auch Mitschüler und Lehrer fragen. Lob für gute Unterstützung der Lehrer: Ohnehin „können wir die Lehrer jederzeit kontaktieren“, lobt sie: Meist würden die dann innerhalb einer Stunde antworten. Es gab für die Altenholzer Laptopklasse sogar schon mal eine Verabredung auf der Lernplattform IServ: Da sollten alle gemeinsam ab 10.10 Uhr an einem offenen Textdokument über die aktuelle Lage schreiben. Ob das wiederholt wird, weiß sie nicht. „Es war recht chaotisch“, erzählt Freundin Lia Schwarze. Vieles ist eben noch ein Lernprozess. Beim Homeoffice gibt es keine Vorgaben für die Schüler, erklärt Laura Hellmann. Diese sollen nur täglich in ihre Mails schauen und die Aufgaben bis zu einem festgelegten Datum abschicken. Das digitale Lernen sei gut und den Umständen angemessen. Aber eben doch was anderes als in der Schule, wo Lehrer und Schüler miteinander sprechen. Viel Freiheit, viel Verantwortung: Sie schafft sich in diesen besonderen Zeiten Strukturen. Setzt sich Ziele für den Tag, zum Beispiel „laufen gehen und Bio machen, oder ein Workout, Querflöte üben und die Deutschaufgaben machen“. Die 18-Jährige bemüht sich, das dann möglichst schnell umzusetzen. Dann verbringt sie Zeit mit der Familie – und arbeitet zwischendurch Aufgaben über eine Lernapp ab. Viel Freiheit, viel Verantwortung, viel Ungewissheit: In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Altenholzer Abiturienten in der vom neuartigen Coronavirus geprägten Zeit. Laura Hellmann denkt auch öfter darüber nach, was passieren würde, wenn die Schüler ihr Abi nicht schreiben könnten: „Aber ich bin zuversichtlich, dass ein Weg gefunden wird, damit wir unser Abitur bestehen können.“ Auch die Lehrer lernen in der Krise: Lars Hollensen, Klassenlehrer der beiden Schülerinnen, findet, dass der Unterricht vom heimischen Computer aus überraschend gut funktioniert. Dabei helfen auch gut gemachte Videos aus dem Internet. „Dazu gibt es dann einen schriftlichen Arbeitsauftrag per Mail, das Ergebnis schicken mir die Schülerinnen und Schüler per Mail zurück. Oder laden es auf unsere schulinterne Lernplattform IServ hoch.“ Mögliche Fragen ließen sich ebenfalls über IServ klären, das funktioniere ähnlich wie mit Whatsapp. Keiner weiß, wann es am Gymnasium weitergeht: Mit Blick auf das Coronavirus sei es ein gutes Gefühl, dass Schüler und Mitarbeiter nicht mehr täglich einem Infektionsrisiko im Schulgebäude in Altenholz ausgesetzt seien, findet Lars Hollensen. „Da geht es uns allen sehr viel besser als den systemrelevanten’ Arbeitnehmern, für die das Homeoffice keine Alternative ist“, findet er: „Wir sollten dankbar sein und uns auf diese neue Form von Schule einlassen.“ Schließlich kann heute keiner sagen, wann das Gymnasium Altenholz wieder seinen regulären Schulbetrieb aufnehmen wird. Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? 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