Lesung in Eckernförde: Ben Becker brillierte mit Balladen

Schon mit der ersten Ballade schlug Becker (55) die Zuhörer in seinen Bann. Denn Johann Wolfgang von Goethes „Der Erlkönig“ präsentierte er gleich in vier Tonlagen: mit der tiefen Stimme des Erzählers, der des beim Angriff des Erlkönigs um sein Leben kämpfenden Jungen, der des besorgten Vaters und schließlich der des Erlkönigs selbst. Gerade bei den Passagen der Sagengestalt bewährte es sich, dass Becker seinen Freund Yoyo Röhm als musikalischen Begleiter auf der Bühne hatte. Denn dessen Klaviertöne verliehen den Worten des Erlkönigs zusätzlich mythischen Klang. Die Musik setzte noch bei den weiteren zwölf Gedichten des Abends effektvoll dramatische Akzente. Ben Becker mit kalkuliertem Traditionsbruch: Neben der Stimmführung beeindruckte auch Beckers Gestik. Mit wenigen Bewegungen ließ er Balladenfiguren lebendig werden. So wurde der kleine Lesetisch zur Minibühne. An ihm inszenierte er auch Vorträge mit kalkuliertem Traditionsbruch. Goethes „Der Zauberlehrling“ trug er mit einem Hut im Harry-Potter-Stil vor. „Das sind 100 Prozent Polyester“, sagte Becker anschließend. Er ging davon aus, dass auch Goethe selbst seine Dichtungen nicht nur ernst gesehen habe. Zwischen den Balladen klärte Becker über die Ursprungsidee für den Abend auf. Er knüpfe an Weihnachtsabende in seinem Elternhaus an. Zu ihnen habe sein Ziehvater - der Schauspieler Otto Sander (1941 bis 2013) - Freunde und Künstler zum Feiern, Musizieren und Vortragen von Texten eingeladen. Die Gedichte fürs Programm habe er auch der titelgebenden Gedichtsammlung „Der ewige Brunnen“ von Ludwig Reiner ausgewählt. Den Rückgriff auf die Familientradition verknüpfte Becker mit einer Bedingung. „Das ist mein Abend. Sie sind bei mir zu Weihnachten eingeladen.“ Dazu gehörte es auch, dass Becker bisher Unerhörtes eröffnete. So habe zu Beginn der 1980er Jahre in Eckernförde Kampfschwimmer werden wollen. Nach 14 Monaten habe er die Ausbildung bei der Marine wegen Klaustrophobie abgebrochen. Doch das war zu schön, um wahr zu sein. Wie er später verriet, war die genüsslich ausgeschmückte Eckernförde-Episode in seiner Biografie schlicht erfunden. Becker konnte über die Lügengeschichte herzhaft lachen. „Schließlich bin ich nicht von Berlin nach Eckernförde gekommen, um mich zu langweilen“, sagte er. Ohnehin lief der Abend anders als übliche Gastspiele in der Stadthalle. Denn Becker verordnete den Zuhörern zwei Stunden Lesezeit ohne Pause. Für alle, die zwischendurch auf WC mussten, hatte er Tröstliches zu vermelden. „Wir warten auf sie“, sprach er allgemein ins Publikum. Auch Pressefotos untersagte der Künstler Ballade „Der Handschuh“ als humoristischer Höhepunkt: Ein humoristischer Höhepunkt des Abends war Friedrich von Schillers Ballade „Der Handschuh“. In ihr gab Becker dem Fräulein Kunigunde eine weiblich verführerische Stimme. Gegen Ende wurden die Texte kürzer. Neues im Programm bot Becker dann als Sänger. Zunächst mit dem Rio-Reiser-Song „Übers Meer“, dann das Lorelei-Lied von Heinrich Heine. Nach vielen Zugaben verabschiedete Becker die Gäste schließlich wieder humorvoll mit dem Joachim-Ringelnatz-Gedicht über „Die Ameisen“, die nach Australien reisen. „Ich fand es schön, dass die Lorelei mit der klassischen Melodie gesungen wurde“, benannte die Eckernförderin Käthe Löser-Broockmann eines ihrer Highlights. Während das Gastspiel für sie eine gute Gelegenheit war, Becker an ihrem Wohnort zu sehen, war Kathrin Arnold extra aus Hamburg gekommen. Für die 46-Jährige hatte sich der Weg in die Stadthalle gelohnt. „Ich habe vorher schon zwei Becker-Lesungen besucht. Diesmal kam sehr viel Persönliches von ihm rüber. Ich hatte wirklich das Gefühl, von ihm eingeladen worden zu sein.“ Weitere Nachrichten aus Eckernförde lesen Sie hier.

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