Polizeichef Rainer Jobst im Interview: Was hat sich im ersten Jahr verändert?

Seit September 2019 sind Sie Stationsleiter in Gettorf. Die Station gehört zum Polizeirevier Eckernförde. Sie sprachen kurz nach Amtsantritt von einem Traumjob. Ist das immer noch so? Rainer Jobst: Ja, das ist nach wie vor mein Traumjob. Ich bin in der Region groß geworden, in Gettorf zur Schule gegangen. Ich fühle mich hier verwurzelt. Eine Station in einer Gemeinde zu führen, die an Bedeutung und Größe wächst, ist einfach toll. Als ich Schüler war, hatten wir eine ganz kleine Schule. Heute ist das ein großes Schulzentrum, Wohn- und Gewerbegebiete sind hinzugekommen. Und diese Entwicklung geht weiter. Wie ist das Verhältnis der Polizei zur Gemeinde Gettorf und den umliegenden Orten? Hervorragend. Normalerweise trifft man sich regelmäßig, berichtet in Sitzungen des Amtes mit dem Amtsdirektor, dem Amtsvorsteher, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Auch wenn die Feuerwehren dort sind, ist die Polizei mit eingeladen. Leider konnte vieles aufgrund der Pandemie nicht stattfinden. Es gibt dennoch einen kurzen Draht zu allen. Wie weit reicht Ihr Einzugsgebiet? Nach Norden bis Altenhof, im Westen bis Lindau, Revensdorf und in die Kanalgemeinden. Wir teilen uns den Dänischen Wohld mit den Stationen in Schwedeneck und Altenholz auf. Sie haben sich mit diesen Kollegen auch Dienste geteilt. Das scheint aufgrund der Corona-Bedingungen anders zu sein. Wir haben die Teams sonst gemischt. Das war vor allem bei Nachtschichten und am Wochenende der Fall. Das fällt flach. Wir müssen jetzt Teams von Einsatzkräften vorhalten, die jeweils aus einer Station kommen. Der Dienstplan, den mein Stellvertreter Dirk Reimer und ich machen, ist eine Herausforderung. Lesen Sie auch: Gettorfs Polizisten mit neuem Chef Inwieweit ist Ihre Arbeit auf der Station verändert? Sie haben schon im Normalfall zu wenig Platz. Wir achten darauf, dass nur wenige Kollegen auf einmal im Haus Dienst machen. Homeoffice geht bei der Polizei nicht. Also müssen wir Aufgaben sehr geschickt verteilen. Die ständig aktualisierten Corona-Vorschriften verändern auch die praktische Arbeit draußen. Für den Einzelfall stets die richtige Vorschrift parat zu haben, war und ist teils sehr schwierig. Im Einsatz kommen Sie Menschen oft sehr nahe. Wie gehen Sie damit um? Werden Polizisten auf eine Corona-Infektion getestet? Im Außendienst tragen wir natürlich alle Maske. Hier im Gebäude können wir das vermeiden, sofern keine anderen Personen auf der Dienststelle sind. Wir versuchen zwar auch draußen, Abstandsregeln einzuhalten. Aber Sie sagen es, das ist oft unmöglich. Wir müssen uns darauf verlassen, dass die üblichen Hygienemaßnahmen ausreichen. Extra Testungen oder eine Testpflicht gibt es nicht. Auch ob es eine Impfpflicht für uns geben wird, ist offen. Ein Knackpunkt sind sicher die Alkoholkontrollen... Die haben jetzt eine neue Qualität. Die Testgeräte haben seit Corona andere Mundstücke, damit die Luft nicht ungefiltert ausgepustet wird. Trotzdem müssen wir uns sehr vorsehen. Welche Delikte haben Sie im Raum Gettorf 2020 am meisten beschäftigt? Unser Tagesgeschäft sind Verkehrsunfälle – zum Glück meist kleinere –, Streitigkeiten, Sachbeschädigungen, Diebstähle. Hat häusliche Gewalt auch auf dem Land zugenommen während der Lockdowns, der Schulschließung, der Homeoffice-Phase? Gefühlt hat sich da nichts nicht viel verändert. Allerdings kann ich auf keine Statistik zurückgreifen. Fälle häuslicher Gewalt haben wir auch sonst glücklicherweise relativ selten. 2020 gab es immer wieder Schmierereien und Sachbeschädigungen, bei denen sehr junge Tatverdächtige eine Rolle spielten. Da konnten Sie in einiges aufklären. Stimmt. Tatsächlich bekommen wir gute Hinweise, sobald wir Zeugenaufrufe veröffentlichen. Wir nutzen da auch die Verbindung zum Schulverband. Zudem haben wir zwei Jugendsachbearbeiter, die besonderen Kontakt zur Schule halten. Das ist die Polizeistation Gettorf Die Polizeistation Gettorf am Hochkamp 1-3 gehört wie die anderen beiden Wohld-Standorte – die Ein-Mann-Station Schwedeneck und die Station Altenholz – zum 60-köpfigen Polizeirevier Eckernförde. Polizeihauptkommissar Rainer Jobst übernahm die Leitung im September 2019 von Sönke Bahr, der nach Ascheffel wechselte. Auch diese kleine Station gehört zum Revier. Jobst war vorher in Rendsburg und auch in Kiel tätig. Der 45-Jährige ist Vorgesetzter für vier Polizistinnen und vier Polizisten in Gettorf. Momentan gehört auch ein Praktikant in der Polizeiausbildung zum Team. Demnächst folgt eine Praktikantin nach. Sind diese Kollegen auch in Sachen Prävention unterwegs? Reine Präventionsveranstaltungen – Verkehrserziehung, Drogen- und Suchtproblematik – macht die Polizeidirektion Neumünster beziehungsweise der Kollege Holger Tramm aus Eckernförde. Wir haben den Draht zur Schulsozialarbeit. Wie steht es um Wohnungseinbrüche, Diebstähle, Autoaufbrüche im Wohld? Wohnungseinbrüche sind leicht rückläufig. Das liegt auch an der intensiven Ermittlungs- und Tatortarbeit sowie erhöhter Präsenz. 2020 spielte auch Corona eine Rolle, weil die Menschen mehr zu Hause sind. Aktuell gibt es immer wieder Diebstähle landwirtschaftlicher Geräte. Die Schäden der vergangenen Wochen liegen im sechsstelligen Euro-Bereich. Die Kripo ermittelt, aber es gibt kaum Ansätze. Kurzfristig flammen Kupferdiebstähle wieder auf, so Ende Oktober in Gettorf und im Eckernförder Bereich. Daraus lässt sich eine Serie ableiten. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Ein Erfolg war die Festnahme von Wohnungseinbrechern in Neudorf. Den aufsehenerregenden Einsatz werden viele Bürger erinnern. Dank guter Zeugenaussagen und engagierter Suche mit vielen Kollegen, Hund und Hubschrauber kam es im Oktober zur Festnahme. So etwas freut uns sehr. Das gilt auch für die Festnahme am 20. Dezember in Tüttendorf. Ein Serientäter aus Kiel hatte in Neuwittenbek ein Auto gestohlen, es bei mehreren anderen Wagen versucht. Er wollte auch in Wohnungen eindringen. Lesen Sie auch: Neuwittenbek: Polizei klärt Einbruchserie auf Solche Erfolge belohnen uns dafür, dass wir über lange Strecken Spuren sichern, Anzeigen schreiben und trotzdem selten etwas dabei herauskommt. Noch etwas werden wir von 2020 in Erinnerung behalten, auch wenn die Feuerwehren ganz anders als die Polizei gefordert waren: den Großbrand auf Gut Borghorst. Zum Glück wurde niemand verletzt. Bekommen Sie auch mal positive Rückmeldungen von Bürgern? Das gibt es gerade im ländlichen Bereich wie hier öfter. Aber dadurch, dass viele Veranstaltungen wegen Corona ausgefallen sind – Dorffeste, Scheunenfeten und so weiter – sind direkte Kontakte eingeschränkt. Inwieweit belastet Sie das Impfzentrum Gettorf? Es wird Auswirkungen geben, schon allein dadurch, dass irgendwann bis zu 600 Menschen täglich anreisen sollen. Weiteres kann ich an dieser Stelle nicht ausführen. Was ist Ihr Wunsch für die Polizei Gettorf im Jahr 2021? Dass die Corona-Pandemie überwunden wird und auch in unsere Dienstabläufe wieder mehr Normalität einkehrt. Und nach wie vor hoffen wir auf ein neues Dienstgebäude. Ich wünsche mir sehr, dass 2021 etwas Bewegung in die Sache kommt.