Sturmmöwen brüten in der City von Eckernförde: Parkplatz als Kinderstube

Plötzlich schien der Wind ein fusseliges hellgraues Bällchen in die geöffnete Garage zu wehen. Bevor es unterm Auto verschwand, fiel zum Glück etwas auf: Das rundliche Etwas trippelte. Ein gellender Schrei von oben und eine aufgeregt flatternde Möwe klärten das Missverständnis. Das noch winzige Küken jenes Schreihalses wollte sich ausgerechnet dort verstecken, wo es besonders gefährlich ist – unter dem Auto. Das Kleine ließ sich ins Freie scheuchen, der Wagen wurde vorsichtig herausgefahren, das Garagentor schnell geschlossen. Eckernförder Anwohner haben Verständnis für Brutpflege der Möwen: Dieser Beginn der Geschichte ist gut zwei Wochen her. Inzwischen gibt es drei Küken und zwei Elternpaare der Seevogelart Sturmmöwe ( Larus canus ), die ihren Nachwuchs mit Gekreisch über den Hof dirigieren, sobald sich Zweibeiner blicken lassen. Das klappt immer besser: Mensch und Kleintier verhalten sich umsichtig. Bisher wurde keine flugunfähige Minimöwe überrollt. Und die Altvögel schätzen die Hofgänger und ihre Aktivitäten jetzt recht gut ein. Ob sie die menschliche Rücksichtnahme erkennen? Inzwischen steht am Rand der Einfahrt zur einzigen Garage sogar eine täglich frisch gefüllte Tasse, aus der die Möwenfamilien auch im Beisein von Menschen trinken. Lesen Sie auch: Vorsicht, Angriff! Möwen beschützen ihr Küken Aus den weichen Bällchen mit Beinchen sind inzwischen graubraune Vögel mit schwarzen Punkten in den zerzausten Daunen geworden, die schon selbstbewusst zwischen den Wagen herumstaksen und piepend die Eltern um Futter anbetteln. Abends ziehen sie sich zurück hinter den Sichtschutz der Büsche. Nicht etwa zu dritt. Die Geschwister lagern an einem Hofende, das Einzelküken schräg gegenüber. Naturschutzbeauftragter in Eckernförde bemängelt Verlust der Brutplätze für Möwen: Michael Packschies, Leiter der Abteilung Umwelt- und Naturschutz im Rathaus Eckernförde, wundert sich nicht über die Sturmmöwenbrut in auf Terrain, auf dem tagsüber Autos rangieren. Offenkundig befanden sich die Nester auf dem Flachdach des Bäckereianbaus im Hof. „Möwen brüten eigentlich auf einsamen Kiesstränden“, erläutert er. „Die sind inzwischen selten. Heute ist fast überall Badebetrieb an der Eckernförder Bucht, oder es sind Spaziergänger mit Hunden unterwegs.“ Brütende Möwen auf Dächern gehörten längst zum Stadtbild. Nebeneffekt: In Menschennähe ist vor allem für die größeren Silbermöwen die Futtersuche vergleichsweise einfach. Sie schnappen sich am Hafen Hering vom Fischbrötchen ahnungsloser Touristen, lauern vor Restaurant-Terrassen und in der Fußgängerzone auf herabfallende Pommes Frites, rauben im Sturzflug Leckeres von Strandpicknick. Bestand der Sturmmöwen an den Küsten der Ostsee nimmt ab: Die Sturmmöwe scheint im Vergleich weniger aggressiv und mutig. Packschies: „Sie hat es ohnehin schwerer. Die Silbermöwen holen sich deren winzige Küken schon mal als Futter.“ So nimmt der Bestand der Sturmmöwen aufgrund des wachsenden Konkurrenzdrucks durch die größere Art in Mitteleuropa ab. Daher muss der Schutz eines verwinkelten Hofs den Sturmmöwenfamilien ideal erscheinen. Dass ihnen kein Mensch einen Brutplatz streitig machen und ihre Jungen vertreiben darf, scheinen sie zu ahnen. Das ist nämlich gesetzlich verboten und wird mit Bußgeld geahndet. Mehr Nachrichten aus der Region Eckernförde lesen Sie hier.