Analyse der OB-Kandidaten Neumünster: Drei wollen ins Rathaus

Die formal größte Unterstützung genießt Jutta Schlemmer (43, CDU), Augenoptikermeisterin und Unternehmerin aus Neumünster. Sie wird von der CDU, der FDP und dem Bündnis für Bürger (BFB) vorgeschlagen. Die Rückendeckung durch drei Parteien bedeutet auch die potenziell am besten gefüllte Wahlkampfkasse. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder, ihre Optik-Firmen verkauft und sucht eine neue Herausforderung. In der CDU ist Jutta Schlemmer nicht unumstritten, was sich wohl auch am schwachen Ergebnis ihrer Nominierung (72 Prozent Zustimmung) ablesen lässt. Ihre Bewerbungsrede auf der Mitgliederversammlung wurde von einigen alten CDU-Leuten als „zu schwach und zu leicht“ empfunden. Radestock ist erster grüner Direktkandidat: Der Rundfunkjournalist Sven Radestock (50) ist der erste Grünen-Direktkandidat bei einer OB-Wahl in Neumünster. Er ist Stadtteilvorsteher von Einfeld und Fraktionsvorsitzender in der Ratsversammlung. Radestock hat ein Zeitungsvolontariat absolviert und auf Lehramt bis zum Ersten Staatsexamen studiert; dann lockte der NDR mit einer festen Stelle in der Redaktion. Er wurde von den Grünen einstimmig nominiert, hat aber auch nicht nur Freunde in seiner Partei. Radestock ist verheiratet und hat zwei Kinder. Tobias Bergmann ist der große Unbekannte: Der SPD-Kandidat Tobias Bergmann (49) ist der große Unbekannte. Er will als Hamburger Sozialdemokrat und ehemaliger Anführer der „Kammer-Rebellen“ in Neumünster in den Wahlkampf eingreifen. Nach seinem Volkswirtschaftsstudium war (und ist) er viele Jahre als Berater in Verwaltungen tätig. Er kennt sich in Neumünster nicht aus, will sich nun aber neun Monate hier bekannt machen. Bergmann ist verheiratet. Für ihn gilt ebenfalls: in seiner Partei nicht unumstritten. Viele Sozis hätten ihre Plakate lieber für den Neumünsteraner Ratsherrn Axel Westphal-Garken geklebt, aber der war in der Parteispitze nicht durchsetzbar. Die Analyse: Jutta Schlemmer wird vermutlich am meisten Geld zur Verfügung haben. Viele Unternehmer werden lieber ihr eine Spende überweisen als dem IHK-Rebellen oder dem Grünen. Geld ist ein sehr wichtiger Faktor, gerade in Zeiten von Corona: Klinken putzen ist (gerade für nicht so bekannte Bewerber) eine effektive Wahlkampfmethode, aber in Zeiten von Corona wohl nicht so angesagt. Je nach Verlauf der Pandemie bis zum Mai werden die Kandidaten auch kaum große Veranstaltungen machen können und vermutlich viel in Werbung investieren müssen, und die kostet Geld, sowohl in klassischen Medien, auf Handzetteln und Plakaten als auch in den sozialen Netzwerken. Ob der (vermutlich) größte Spendentopf für Jutta Schlemmer reicht, ist aber völlig offen. Tobias Bergmann bringt von der Ausbildung, dem Lebenslauf und dem Fachwissen her formal die besten Voraussetzungen für den Job mit, ist aber in Neumünster ein unbeschriebenes Blatt. Seine Zeit als Hamburger „IHK-Rebell“ ist nicht ausschließlich eine Erfolgsgeschichte. Ein ortsfremder Kandidat hat in Neumünster noch nie eine OB-Direktwahl gewonnen – und der leicht bayerische Akzent bringt Bergmann da wohl auch nicht weiter nach vorn. Das könnte die Tür öffnen für den Grünen Radestock. Er ist Neumünsteraner, volkstümlich, hat (nicht nur in Einfeld) hohe Sympathiewerte und kennt das Rathaus zumindest von der Sichtweise eines Ratsherrn. Aber ansonsten bringt auch er nicht viel mehr Fachkenntnisse mit als Jutta Schlemmer. Es wäre nicht erstaunlich, wenn es bald weitere Bewerbungen gäbe: Hinter den Kulissen wird derzeit sehr viel telefoniert: Es gibt Politiker in Neumünster, die in dem vorläufigen Personaltableau noch eine Lücke für eine Person aus der Stadt mit mehr Verwaltungserfahrung und mehr Fachwissen sehen. Es wäre nicht erstaunlich, wenn es bald weitere Bewerbungen gäbe. Neumünster wählt am 23. Mai 2021 den oder die Nachfolger/in von Olaf Tauras (CDU). Der tritt nach zwei Amtszeiten nicht wieder an.

Analyse der OB-Kandidaten Neumünster: Drei wollen ins Rathaus – bis jetzt