Die Brücke Neumünster: Sorge um Wirtschaft und psychisch kranke Menschen

Günter Ernst-Basten ist notorischer Optimist, und so sieht er auch in Corona-Zeiten einen Lichtblick: „Unsere Näherei ist sehr gut nachgefragt“. Allerdings: „Das bringt ökonomisch noch nichts“, räumt der Geschäftsführer der Brücke Neumünster ein, zu deren Geschäftsfeldern die Näherei gehört. Immerhin: Dort liegen mehrere Anfragen für Aufträge vor; ein Start-up-Unternehmen will zum Beispiel Kuschelkissen für Hunde nähen lassen. In anderen Bereichen sieht es schlechter aus. Die Druckwerkstatt büßte im vergangenen Jahr 20 Prozent Umsatz ein, der Trend hält an. Die Tischlerei profitierte 2020 von einem Großauftrag, aber aktuell halten sich die Kunden zurück. Der Fahrradladen ist geschlossen, nur die Werkstatt arbeitet noch. Die Kantine verkauft mittags nur noch 50 statt 80 Mahlzeiten, die Lieferung an die benachbarte Kita ist von 80 auf 30 Essen täglich geschrumpft. Die Brücke Neumünster: Verlust von bis zu 70.000 Euro: In der Summe rechnet Ernst-Basten für 2020 mit einem Verlust der Brücke Neumünster gGmbH von 60 bis 70 000 Euro bei einem Umsatz von gut fünf Millionen Euro. „Das können wir wuppen“, sagt Ernst-Basten; Sorgen macht ihm allerdings die Zukunft: „Wenn das anhält, kommen wir im Laufe des Jahres in eine existenzbedrohende Situation“. Er plant Gespräche mit der Stadt, der Arbeitsagentur und dem Jobcenter, um Unterstützung zu bekommen: „Die nächsten Wochen werden entscheidend für uns“. Lesen Sie auch: Warme Suppe durch die Tür gereicht Die Brücke Neumünster gGmbH ist kein normales Wirtschaftsunternehmen. Die 80 angestellten Mitarbeiter kümmern sich in vielfältiger Weise um Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie betreuen rund 300 Klienten; denen bieten sie betreute Arbeitsplätze in ihren Wirtschaftseinrichtungen, sie halten Gruppenangebote vor und Wohngruppen, sie kümmern sich um Familien, helfen im Berufsleben, beraten und unterstützen. Im vergangenen Jahr startete die Brücke ein neues Projekt für Kinder mit psychisch kranken Eltern. Jetzt liegt es brach: „Wir können kein Angebot machen“. Begegnungsstätte im Notbetrieb: Ein wichtiger Anlaufpunkt läuft zurzeit nur im Notbetrieb: die Begegnungsstätte am Großflecken. „Die Tür ist zu.“ Ernst-Basten bringt das Problem auf eine kurze Formel. In normalen Zeiten kann jedermann einfach in die Begegnungsstätte kommen und sich auch anonym erkundigen. Unter Pandemie-Einschränkungen funktioniert ein Besuch nur mit Anmeldung und Klingeln; damit ist die Hemmschwelle gestiegen, Beratung zu suchen. „Der Zugang ist für neue Menschen sehr schwer“, stellt Ernst-Basten fest. Schließlich brauche es „ein gewisses Selbstbewusstsein“, um sich aktiv Unterstützung beim Umgang mit einer psychischen Erkrankung zu suchen. Auch an anderer Stelle kommen im Moment weniger Menschen zur Brücke: Im Bildungsbereich, der ersten Anlaufstelle für Klienten, die in einer der Werkstätten arbeiten sollen, sinkt die Belegung. Über die Gründe rätseln die Fachleute selbst. Eine Vermutung: Die Agentur für Arbeit schickt weniger Leute. Maßnahmen mit schulischen Anteilen werden von dort im Moment gar nicht nachgefragt. Im Internet: www.bruecke-ggmbh.de/ Für die Brücke hat dieser Rückgang wirtschaftliche Folgen: „Wir verdienen unser Geld mit Betreuung, Beratung und Reha-Leistungen“, erklärt Günter Ernst-Basten. Weniger Klienten bedeuten weniger Einnahmen. Gleichzeitig sieht der studierte Psychologe „für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine besonders schwierige Situation“. Die Brücke musste ihre Angebote stark einschränken, Gruppen verkleinern, Freizeitangebote streichen. Damit wächst die Gefahr, dass psychische Kranke vereinsamen. Günter Ernst-Basten ahnt voraus, dass das dicke Ende der Pandemie in seinem Bereich noch kommt: „Wir werden besonders wichtig sein, wenn es sich lockert“.