Karstadt Neumünster schließt: Ein schleichender Niedergang endet

Der Konzern selber hielt sich gestern allerdings bedeckt. Die Frage beispielsweise, wann das Haus geschlossen wird, blieb unbeantwortet. Der Mietvertrag läuft jedenfalls noch ein Jahr. Das Kaufhaus am Großflecken dümpelt seit Jahren vor sich hin und hat seine früher riesige Bedeutung für den Einzelhandel in Neumünster verloren. In dem Streit von 2009 bis 2011 über die Frage, wo das neue Einkaufszentrum eröffnet werden sollte, stand Karstadt für viele im Mittelpunkt. Nur dort könne die Galerie gebaut werden, weil Karstadt das Herz des Großfleckens sei, meinten die Befürworter. Es kam anders, die Galerie wurde 2015 am Gänsemarkt eröffnet. Karstadt Neumünster baute immer weiter ab: In den vergangenen Jahren baute das Warenhaus gefühlt immer weiter ab, möglicherweise auch zusätzlich geschwächt durch die Holsten-Galerie. Kunden monierten allerdings schon lange die nicht immer topmodernen Sortimente, den gelegentlich betulichen Service und in manchen Bereichen einfach zu hohe Preise. Die neue Zentralkasse im Erdgeschoss hat viele Kunden vergrault: Mit der Abschaffung der Kassen in den Abteilungen und der Einrichtung einer Zentralkasse im Erdgeschoss tat sich das Management auch keinen Gefallen. „Es vergeht hier kein Tag, an dem sich Kunden darüber nicht beschweren. Die wollen ihre Einkäufe einfach nicht für jedermann sichtbar durch das ganze Haus schleppen“, sagte eine Mitarbeiterin, die nicht genannt werden möchte. "Ein ganz bitterer Tag für die Stadt Neumünster": Oberbürgermeister Olaf Tauras äußerte sich gestern besorgt. „Heute ist ein ganz bitterer Tag für die Stadt Neumünster. Den Verlust der Arbeitsplätze finde ich außerordentlich bedauerlich, da gerade viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien betroffen sind. Zudem reißt der Leerstand eine Riesenlücke in unsere Innenstadt. Ich werde jetzt mit der Sparkasse Südholstein als Eigentümer der Immobilie Gespräche über die Zukunft des Gebäudes aufnehmen“, sagte Tauras. Sparkasse: Wir investieren dort nicht: Auch Andreas Fohrmann, Chef der Sparkasse Südholstein, äußerte sich betrübt. „Wir bedauern diese Entscheidung sehr, zumal wir mit einem sehr guten Mietangebot unseren Beitrag dazu geleistet haben, um die Filiale für die Region zu erhalten. Den Mitarbeitern wünsche ich, dass gute Lösungen für sie gefunden werden. Wir werden jetzt Alternativen prüfen, wie das Gebäude und/oder das Grundstück einer wertschöpfenden Nutzung zum Wohle Neumünsters zugeführt werde kann. Angesichts der Corona-Pandemie und deren Folgen für die Wirtschaft können wir uns aktuell nicht vorstellen, eine derart große Summe in den Neubau unserer Zentrale wie bisher geplant zu investieren.“ Lutz Kirschberger, Geschäftsstellenleiter der IHK Neumünster, befürchtet negative Auswirkungen. „Die Vorstellung, dass eine derart große Einkaufsfläche am Eingangstor zum Großflecken über einen längeren Zeitraum leer stehen könnte, erfüllt uns mit Sorge. Darüber hinaus bedeuten die Kündigungen natürlich einen schmerzhaften Abzug an Kaufkraft“, teilte Kirschberger mit. Oberstes Ziel müsse es jetzt sein, zusammen mit der Sparkasse als Eigentümerin in einem übergreifenden Ansatz aus ansässigen Unternehmen, Wirtschaftsförderung, Verwaltung und Politik intelligente Konzepte zu entwickeln, um diese Flächen mit neuem Leben zu füllen. „Eine vielfältige Nutzung mit Ergänzungen, beispielsweise aus dem Freizeitbereich, halten wir weiterhin für den richtigen Weg“, so Kirschberger. Erstes Kaufhaus stand am Kuhberg 35: Karstadt hat in Neumünster eine enorm lange Tradition. Nach Wismar und Lübeck hatte Rudolph Karstadt hier 1891 sein drittes Haus eröffnet (am Kuhberg 35). Das Geschäft lief so gut, dass er schon 1894 auf dem Nachbargrundstück ein größeres Geschäftshaus errichten ließ, das immer wieder erweitert wurde. Hier, an der Ecke Christianstraße/Kuhberg, zog Karstadt nach der Fusion mit Hertie 1998 aus – und siedelte in das damalige Hertie-Haus am jetzigen Standort. Das alte Karstadt ist nach einem völligen Umbau das „Kuhberg-Karree“ mit dem Kinocenter. Die jetzige Karstadt-Immobilie gehört seit 2015 der Sparkasse Südholstein. Im Mai 2015 hatte der Karstadt-Konzern schon einmal beschlossen, dass das Warenhaus geschlossen würde, nämlich Mitte 2016. Kurz vor Weihnachten 2015 verkündete die Sparkasse dann überraschend den Kauf der Immobilie und den Abschluss eines neuen Mietvertrags mit dem Warenhaus (bis Juni 2021). Jahrelang verkündete die Sparkasse den Abriss 2021: Jahrelang verkündete die Sparkasse, das Karstadt-Haus Mitte 2021 abreißen und sich an der Stelle eine neue Zentrale bauen zu wollen - gern auch wieder mit einem Mieter Karstadt. Vor wenigen Wochen kam die Wende: Das Gebäude soll vorerst nicht weichen. Mehr aus Neumünster lesen Sie hier.

Karstadt - Ein schleichender Niedergang endet