Kulturprojekt aus Neumünster Spurensuche mit 30 Koffern

Die Jury des Wettbewerbs Mixed-Up hat besonders der bei dem Projekt entstandene Dokumentarfilm fasziniert. Eine junge Frau sitzt in ihrem aufgeklappten roten Koffer vor der Eingangspforte der Landesunterkunft für Asylsuchende in Neumünster mit gesenktem Blick. Sie steht auf, klappt den Koffer zu und öffnet das Tor. „Ich brauche Asyl“, sagt sie zum Pförtner. Der schickt sie zur Erstaufnahme. In einem nur mit vier Betten eingerichteten Raum angekommen, sitzt sie wieder in ihrem Koffer und fühlt sich sichtlich verloren. In einer anderen Szene berichtet der junge Afghane Masud Jojenda den Schülern, dass er in seinem Heimatland für eine amerikanische ISAF-Brigade gearbeitet hat. Er habe von Anfang an gewusst, dass er durch seinen Job zum Todfeind für die Taliban werden würde. „Es war die einzige Arbeit, die ich fand. Mit dem Lohn konnte ich meine sehr große Familie ernähren“, begründet er den vermeintlichen Widerspruch. Wäre er nicht geflüchtet, hätten ihn die Taliban ermordet. Diese und weitere Szenen des Films sind beeindruckend. Eine Woche haben sich die 29 Schüler der Klasse 11d der Holstenschule mit 18 jungen Asylsuchenden aus Afghanistan, Pakistan und Iran unter der Leitung der Lehrerin und Dokumentarfilmerin Quinka Stoehr auf die gemeinsame Spurensuche nach der Bedeutung von Heimat gemacht. Neben einem Theaterstück und einer Ausstellung ist dabei der Dokumentarfilm entstanden. Und im Mittelpunkt standen dabei 30 ausrangierte Koffer. „Mehr als einen Koffer haben die Flüchtlinge meistens nicht bei sich, wenn sie hier in Neumünster beim Landesamt für Ausländer anklopfen und um Asyl bitten“, weiß Schülerin Natascha Keller. Der Koffer sei das Symbol für die Flucht. Was packe ich ein? Daher der Projektname. „Tschamedan“ heißt Kofferpacken auf Dari – eine Sprache, die in den Ländern der jungen Flüchtlinge gesprochen wird. Was nehme ich mit, um ein Stück Heimat in der Fremde bei mir zu haben? Diese Frage bewegte die Projektteilnehmer. „Als ich die Idee vorstellte, spürte ich zunächst deutliche Ablehnung bei meinen Schülern“, berichtet Lehrerin Stoehr. „Ich hatte große Vorurteile gegenüber Flüchtlingen“, begründet Schülerin Natascha Keller, die in dem Film mit ihrem Koffer bei der Landesunterkunft angeklopft hatte. In ihrem Umfeld werde erzählt, dass viele der Asylsuchenden Diebe seien und alten Damen die Handtaschen rauben würden. Bereits am ersten Tag des Projektes seien nicht nur bei ihr, sondern auch bei den Mitschülern diese Vorbehalte gegenüber den jungen Asylsuchenden im Nu verschwunden. „Wir sind darüber Freunde geworden“, sagt Natascha Keller. Insgesamt wurden für den Wettbewerb der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung 383 Bewerbungen eingereicht. Der Beitrag „Kofferpacken – Tschamedan“ aus Neumünster ist mit einem der sieben Hauptpreise ausgezeichnet worden. Mehr im Internet unter: www.mixed-up-wettbewerb.de

Kulturprojekt aus Neumünster - Spurensuche mit 30 Koffern