Umfrage in Neumünster: Große Unsicherheit im Einzelhandel

„Im Moment ist nichts kalkulierbar.“ Das hat Tina Krauskopf schmerzlich erfahren müssen. Am 1. Dezember wird ihre Buchhandlung fünf Jahre alt, und Krauskopf wollte das Jubiläum mit einer großen Lesung im Theater in der Stadthalle gebührend feiern. „Da der ‚Lockdown light‘ ursprünglich Ende November aufgehoben werden sollte, hatten wir alles für die Lesung organisiert“, sagt die Buchhändlerin. Lesung im Theater: geplatzt: Sünne Höhn vom Kulturbüro hatte ihr Okay für die Theaternutzung unter strengen Hygieneregeln gegeben, und mit Pierre Jarawan war es der Buchhändlerin gelungen, einen preisgekrönten Autoren zu engagieren. „Die 100 Karten waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft“, sagt Krauskopf. Mit der Verlängerung des Lockdowns sei die Lesung nun erst einmal abgesagt. „Wir werden sie im Sommer auf jeden Fall nachholen. In diesen besonderen Zeiten müssen wir alle flexibel bleiben.“ Angebot für vorsichtige Kunden: Auch deshalb entwickeln Tina Krauskopf und ihr Team immer wieder kreative Ideen. Für vorsichtige Kunden bieten sie in der Vorweihnachtszeit erstmals sogenannte „Stöberstunden“ an. „Unsere Kunden können die zwei Stunden nach Ladenschluss vorab buchen und erhalten dann von uns ihre ganz privaten Leseempfehlungen“, beschreibt sie das Angebot. Corona-Regeln für Dezember: Teil-Lockdown bleibt, Schleswig-Holstein hält an 10-Personen-Regel fest Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein An diesen Schulen und Kitas gibt es Corona-Fälle Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Verändertes Kaufverhalten: „Wir haben nach wie vor sehr viele Kunden, die sich auch in diesen Zeiten auf ihre regionalen Händler besinnen und ihnen die Treue halten“, betont die Buchhändlerin. Doch auch in ihrem Laden hat sich das Kaufverhalten geändert: Die Verweildauer ist deutlich kürzer geworden. Die Menschen kaufen gezielter ein. „Dass die Gastronomie geschlossen ist, der Weihnachtsmarkt nicht stattfindet und Karstadt dicht gemacht hat, spüren wir Einzelhändler in der Innenstadt sehr deutlich.“ „Das ist die Hölle“: „Das Einkaufen macht im Moment einfach keinen Spaß“, sagt ein Neumünsteraner Ehepaar. „Die Menschen nehmen keine Rücksicht aufeinander, Abstände werden nicht eingehalten und alle drängeln. Gehen Sie doch mal durch die Holsten-Galerie. Das ist die Hölle.“ Und da die beiden um ihre Gesundheit fürchten, werden sie ihre Weihnachtsgeschenke „garantiert im Netz“ kaufen. „Das ist eigentlich schade“, finden sie. Noch im letzten Jahr hätten sie ihre Weihnachtseinkäufe in der Innenstadt genossen. Schleichende Aufgabe von Geschäftsräumen: Dass „die Situation für den Einzelhandel aktuell schwierig ist“, weiß auch Martin Deertz. Der stellvertretende Vorsitzende vom Stadtmarketing sieht die Probleme nicht nur in der Corona-Pandemie begründet. „Die Innenstadt hat die Schließung von Karstadt sowie die schleichende Aufgabe von Geschäftsräumen um den Großflecken und die angrenzenden Straßen zu verkraften“, sagt Deertz. Attraktive Innenstadtmagnete fallen weg: „Durch die Corona-bedingte Schließung der Gastronomiebetriebe und die Absage des Weihnachtsmarktes fallen nun weitere attraktive Innenstadtmagnete weg, sodass die Kundenfrequenz im Zentrum deutlich gelitten hat. Die Lage ist insgesamt angespannt, zumal nicht klar ist, wie lange die Einschränkungen noch andauern werden. Die regionalen Banken unterstützen, wo sie können, sowohl in der Beratung hinsichtlich der Hilfsprogramme wie auch mit Krediten zur Überbrückung von Engpässen. „In diesen Zeiten ist Zusammenhalt gefragt“: Ich kann nur alle Bürgerinnen und Bürger aufrufen, die lokalen Händler ebenfalls tatkräftig zu unterstützen, indem sie hier in Neumünster einkaufen gehen und sie zum Beispiel die Außer-Haus-Angebote der Restaurants annehmen. In diesen Zeiten ist Zusammenhalt gefragt“, lautet sein Appell an die Neumünsteraner. „Die Regelungen müssen gelockert werden“: Ein Wochenmarktbesucher aus Arpsdorf hat da noch eine andere Idee. „Die Regelungen müssen gelockert werden. Sonst ist die Wirtschaft bald ganz am Boden“, findet er. Der Lockdown sei viel zu hart, gerade für den Einzelhandel und die Gastronomie. „Abstände und Masken im Laden sind okay, aber draußen brauchen wir sie nicht.“ Er halte Corona für nicht gefährlicher, als eine Grippe. „Wie kann es angehen, dass sich Tauras wundert, wenn eine 87-Jährige stirbt und mit ihrem Tod die Gefährlichkeit des Virus erklärt?“, fragt der Arpsdorfer. Gähnende Leer im Café-Restaurant: Welch weitreichende Auswirkungen das Virus auf sämtliche Geschäftsmodelle hat, erfährt auch Kai Först. „Die Verlängerung des Lockdowns in der Gastronomie trifft auch uns als Mode-Center“, erklärt der Nortex-Geschäftsführer. „In unserem Café-Restaurant, wo sonst täglich bis zu 250 Gäste Platz finden, herrscht gähnende Leere.“ Und es gehöre ja zum Konzept von Nortex, dass die Kunden in aller Ruhe durch die großzügigen Verkaufsräume bummeln könnten, um es sich zwischendurch bei einer Tasse Kaffee gemütlich zu machen. „Die Leute verbringen wieder mehr Zeit in der Natur“: „Außerdem stellen wir eine Veränderung im Kaufverhalten fest“, sagt Kai Först. „Da Weihnachtsfeiern, Theater- oder Konzertbesuche momentan nicht möglich sind, ist die Nachfrage nach festlicher Kleidung stark gesunken“, erklärt der Geschäftsführer. Die Nachfrage nach „allem, was warm hält“ sei hingegen gestiegen. „Die Leute verbringen wieder mehr Zeit in der Natur“, so Försts Einschätzung.