"Arbeitskräfte" oder Zwangsarbeiter? Streit um Infotafel in Schwentinental

Die Schatten der Vergangenheit holen Susanne Leyk jetzt wieder ein. Diesmal geht es bei Schwentinentals einst heftig umstrittener Ex-Bürgermeisterin, die 2012 um ein Haar abgewählt worden wäre, aber nicht um Politik. Jetzt sieht sich die aktuelle Ortsvereins-Chefin des Heimatbundes Schleswig-Holstein dem Druck des Heimatbund-Präsidiums ausgesetzt. Dabei geht um einen aus Präsidiumssicht fragwürdigen Umgang des Ortsvereins mit der Geschichte Schwentinentals im Nationalsozialismus. Stein des historischen Anstoßes ist der Satz auf einer Info-Tafel neben der 2005 wieder errichteten Holzkonstruktion mit Raisorfer Friedensglocke in unmittelbarer Nähe der St.-Martins-Kirche. In dem großformatigen Erklärtext in einer beleuchteten Vitrine mit Heimatbund-Logo und -Schriftzug heißt es: „An dieser Stelle stand am Ende des Zweiten Weltkrieges ein Barackenlager, das in den Kriegsjahren der Unterbringung von ausländischen Arbeitskräften diente, die in Kieler Industriebetrieben arbeiteten.“ Schwentinentaler setzt sich für Korrektur ein: Manfred Bacher traute seinen Augen nicht: „ausländische Arbeitskräfte“? Das klang nach glücklichen Gastarbeitern aus den 1960er-Jahren, die sich auf ein besseres Leben freuten, dachte der Schwentinentaler, als er die Tafel Ende vergangenen Jahres entdeckte. Dabei wusste der 70-Jährige nur zu genau, dass das nicht stimmte: „In Wahrheit handelte es sich bei den ,Arbeitskräften’ doch wohl um Zwangsarbeiter im Barackenlager Karkkamp.“ Etwa zwei Kilometer von der Gedenkstätte entfernt, steht im Wald an der Rastorfer Mühle auf einer kaum noch lesbaren Relief-Metallplatte unter fast blind gewordenem Glas, was von 1941 bis Kriegsende wirklich in der Gegend geschah: In sechs Lagern in Klausdorf und Raisdorf (Aubrook, Preetzer Chaussee, Rosensee, Elmschenhagen-Ost, Rastorfer Mühle, Karkkamp) lebten Zwangsarbeiter aus Polen, Italien, Frankreich, Niederlanden, Belgien, Sowjetunion, Polen, Bulgarien, Jugoslawien und der Tschechoslowakei. Auch Heimatbund-Chefs fordern Textänderung: Weiter heißt es in dem Text auf der Metallplatte. Die dort lebenden Menschen „wurden zu Arbeitsleistungen auf den Werften und in der Landwirtschaft gezwungen.“ Unterzeichnet von den „Spurensuchern in der VHS 2008/2010“ steht dort weiter: „Wir, die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Schwentinental, bekennen uns zu unserer Verantwortung, an die Opfer von Gewaltherrschaft, Krieg und Vertreibung zu erinnern.“ So einen Tenor sollte auch die Info-Tafel an der Friedensglocke haben, fand Manfred Bacher und wandte sich wegen einer entsprechenden Änderung an den Heimatbund Schleswig-Holstein. Der befand nach Prüfung des (historischen) Sachverhalts: Der Begriff Arbeitnehmer suggeriere ein geregeltes, auf Freiwilligkeit basierendes Arbeitsverhältnis, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Tarifpartner fairen Umgang miteinander pflegen. Das gelte für die Millionen von Zwangsarbeitern nicht, die während des Zweiten Weltkriegs aus den von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas nach Deutschland verschleppt und zur Arbeit gezwungen wurden. Insofern sei die Kritik an der verwendeten Begrifflichkeit richtig. Zwei Schreiben wurden vom Ortsverein nicht beantwortet: In per Mail und Brief um den Jahreswechsel 2019/2020 herum verschickten Schreiben an den Schwentinentaler Ortsverein empfahl das Heimatbund-Präsidium: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie die Formulierung zum Beispiel in „Unterbringung von Zwangsarbeitern und zum Arbeitsdienst verpflichteten“ ändern würden. Damit würden Sie den Fakten gerecht und weiteren Diskussionen die Grundlage entziehen.“ Doch beide Schreiben blieben nach Angaben von Ute Löding-Schwerdtfeger, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Heimatbundes, unbeantwortet. „Jetzt werden wir das Thema im Präsidium wohl noch einmal aufgreifen müssen.“ Ehrenpräsident sieht "keinen Grund" für Änderungen: Der Ehrenpräsident des Schwentinentaler Ortsvereins, der sich maßgeblich für Turm-Rekonstruktion und Erklär-Tafel 2005 einsetzte, will den Text aber gar nicht ändern: „Dafür gibt es keinen Grund“, erklärt Helmut Ohl auf Nachfrage. Seine Begründung: Selbst nach vielen Jahren noch hätten sich Lagerinsassen – darunter schließlich auch „mit Deutschland verbündete Italiener“ bei Schwentinentalern in Briefen bedankt „für die wunderbare Zeit und gute Behandlung“. Außerdem gehe es bei der Gedenkstätte im Kern gar nicht um das Lager, sondern um die später daraus hervorgegangene St.-Martins-Gemeinde. Jetzt will der Ortsverein doch noch einmal beraten: Die amtierende Ortsvereins-Chefin Susanne Leyk bestätigt auf Nachfrage schriftlich, dass der Text auf der Info-Tafel so vom damaligen Vorstand beschlossen wurde. In der Amtszeit ihres im vergangenen Jahr verstorbenen Vorgängers habe sich der Vorstand nochmals mit dem Thema befasst und den damaligen Text bestätigt. Dennoch wolle Leyk die Anfrage der KN-Redaktion zum Anlass für eine „erneute Vorstandsbefassung“ in einer Sitzung Anfang kommender Woche nehmen. Bis zu einer endgültigen Klärung sei der umstrittene Text zumindest auf der Internetseite des Heimatbund-Ortsvereins erst einmal nicht mehr sichtbar. Weitere Nachrichten aus Plön lesen Sie hier