Boksee/Löptin/Kirchbarkau: Der Weg zu Online-Formaten ist hürdenreich

So steht beispielsweise in Boksee schon seit Längerem der Beschluss des Bebauungsplans für das Neubaugebiet „Schweinekoppel“ aus. „Doch darüber muss die Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung abstimmen. Wir haben keinen Raum, der groß genug ist, um für Kommunalpolitiker und Zuhörer die nötigen Abstände einzuhalten“, erklärt Doris Hinrichsen, Bürgermeisterin von Boksee. „Ein Votum per E-Mail oder Videokonferenz ist nach unserer Hauptsatzung nicht zulässig“, sagt sie. Zuerst muss die Hauptsatzung geändert werden – in einer Präsenz-Sitzung: „Das dürfte aktuell auf nahezu alle Gemeinden zutreffen“, bestätigt Holger Bajorat, Kreisverbandsvorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages (SHGT). Zwar sei die landesweit gültige Gemeindeordnung im September 2020 um den Paragrafen 35a „Sitzungen in Fällen höherer Gewalt“ ergänzt worden. Danach könnten Sitzungen von Gemeindevertretungen oder Ausschüssen in außergewöhnlichen Notsituationen als Videokonferenz durchgeführt werden. „Doch zuvor muss jede Gemeinde ihre Hauptsatzung ändern, was nur in einer Präsenz-Sitzung möglich ist“, erläutert Bajorat. Lesen Sie auch: Weg frei für Politik im virtuellen Raum Auch die Technik muss stimmen: Doch es gebe noch etliche andere Hürden, die von der Ausstattung mit geeigneter Technik über eine stabile Internetverbindung bis hin zum Datenschutz und dem Recht am eigenen Bild reichten. „Der eigentliche Knackpunkt besteht darin, die Öffentlichkeit, also die interessierten Bürger, in adäquater Weise einzubeziehen“, meint Holger Bajorat. Als Bürgermeister der Gemeinde Stolpe spricht er aus eigener Erfahrung. „Wir haben es technisch bisher einfach nicht hinbekommen.“ Denn es reiche ja nicht aus, die Sitzung per Video in einen anderen, öffentlich zugänglichen Raum zu übertragen. Es müsse auch gewährleistet sein, dass die Bürger zu Beginn und/oder am Ende der Sitzung Fragen stellen oder Anregungen geben könnten. Auch größere und technisch besser ausgestattete Städte, etwa Kiel, hätten noch keine praktikable Lösung gefunden. Lesen Sie auch: Kämpfer unter Druck: Debatte im Kieler Hauptausschuss um digitale Sitzungen In Stolpe haben sich die Kommunalpolitiker auf folgende Verfahren in der jetzigen Situation geeinigt: Der Bürgermeister oder der zuständige Ausschuss wird ermächtigt, in konkret benannten Angelegenheiten, beispielsweise für den Kindergarten oder die Feuerwehr, bis zu einer festgelegten Summe über die Auftragsvergabe zu entscheiden. In begründeten Fällen sind auch Eilentscheidungen des Bürgermeisters möglich, die die Gemeindevertretung später noch billigen muss. In allen Fällen kann sich der Bürgermeister mit seinen Stellvertretern beraten oder die Angelegenheit an den zuständigen Ausschuss weitergeben. Ministerium schlägt Pairing-Verfahren vor: Dirk Hundertmark, Pressesprecher des Innenministeriums, weist auf eine weitere Möglichkeit hin: Das Pairing-Abkommen, bei dem die Zahl der Gemeindevertreter so verringert werden kann, dass dennoch das tatsächliche Mehrheitsverhältnis gewahrt bleibt. Das könne bei dringenden Sitzungen helfen, wenn der Platz nicht ausreiche. Werde eine Sitzung als Videokonferenz durchgeführt, müsse sichergestellt werden, dass die Einwohnerinnen und Einwohner auch weiterhin Fragen stellen können, heißt es seitens des Innenministeriums weiter. Die Gemeinden sollten hierzu eigene Verfahren entwickeln. So könne beispielsweise festgelegt werden, dass die Bürger im Vorfeld der Sitzungen ihre Fragen schriftlich stellten. „Um darüber hinaus dem Öffentlichkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen, ist die Sitzung als Videokonferenz sowohl in einen öffentlich zugänglichen Raum, als auch über das Internet zu übertragen“, so der Pressesprecher. Sind Videokonferenzen per Livestream datenschutzkonform? Für Uwe Mewes, Bürgermeister in Löptin, bleiben da noch viele Fragen offen. „Mal abgesehen davon, dass weder unsere technische, noch unsere räumliche Ausstattung dafür ausreicht, sehe ich noch ganz viele Hürden, was den Datenschutz und die Rechtssicherheit von Beschlüssen angeht“, meint der Bürgermeister. Wie könnte etwa die Trennung von öffentlicher und nicht öffentlicher Sitzung erfolgen? Was ist, wenn ein Gemeindevertreter bei einem Thema befangen ist? Was passiert, wenn die Internetverbindung bei Einzelnen gerade bei einer Abstimmung abbricht?“, fragt Mewes. Eine entsprechende Software müsse kompatibel für Windows-, Apple- und Android-Betriebssysteme sein. „Von Dataport bekam ich die Auskunft, dass es derzeit keine Software gibt, die alle nötigen Kriterien erfüllt“, so der Bürgermeister. „Das ist eine große Baustelle, die wir auf jeden Fall angehen müssen“, meint Kirchbarkaus Bürgermeister Frank Jedicke. „Reguläre Online-Sitzungen erlaubt auch unsere Satzung noch nicht. Momentan tauschen wir uns nur informell via Zoom mit privater Hardware aus“, so Jedicke.