Die Grünen in Preetz: Jaspersengang soll umbenannt werden

„Ich habe mich gewundert, dass es direkt nach diesem Bericht keine Reaktion gegeben hat“, erklärt Grünen-Stadtvertreter Henning von Schöning. Er selbst habe sehr betroffen auf den Artikel reagiert. Genauso wie auf einen weiteren KN-Bericht über den verurteilten Kriegsverbrecher Dr. Karl Genzken aus Preetz, der für die Waffen-SS medizinische Versuche an Häftlingen im Konzentrationslager unternahm. Kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte: Man müsse sich als Stadt mit der Geschichte auseinandersetzen, so von Schöning. „In anderen Städten findet ja bereits eine kritische Aufarbeitung statt.“ Zum Hintergrund: Otto Jaspersen hatte 1896 eine moderne Nervenheilanstalt für betuchte Patienten auf dem Mühlenberg eröffnet, der damals noch zum Gemeindegebiet von Schellhorn gehörte. Im Ersten Weltkrieg diente er – so schreibt es der Preetzer Studienrat a.D. Rainer Gehrke im Jahrbuch „Demokratische Geschichte“ von 2019 – als Militärarzt, nach Kriegsende gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). 1920 mischte er als Verantwortlicher beim Kapp-Putsch mit und hielt mit einer Pistole die Menschen auf dem Marktplatz in Preetz in Schach. Als nach wenigen Tagen der Putsch niedergeschlagen wurde und Jaspersen verhaftet werden sollte, flüchtete der Sanitätsrat angeblich. In der Stadt ging das Gerücht um, dass er sich in einem der Gebäude auf dem Mühlenberg versteckt hielt. Jaspersen war ein Antisemit: Nach dem Amnestiegesetz im selben Jahr tauchte er wieder auf und kämpfte bis zu seinem Tod 1926 als DNVP-Mitglied gegen die „jüdisch beherrschte Demokratie“. Er war ein Fan von Adolf Hitler, seine beiden Söhne Wolfgang und Karsten traten in die NSDAP ein. Auf den Artikel meldete sich auch eine Anwohnerin des Mühlenbergs, die aber anonym bleiben möchte. Sie brachte das Buch „Nationalsozialismus in Norddeutschland“ von Kay Dohnke mit, der in seinem Atlas auf zahlreichen Karten die Entwicklung der NS-Zeit beschreibt. Dabei geht es auch um Euthanasie. Jüdischer Patient in Tötungsanstalt gebracht: Laut einer dieser Karten über die Deportation jüdischer Patienten aus norddeutschen Heil- und Pflegeanstalten soll am 16. September 1940 ein jüdischer Patient aus dem Privatsanatorium Schellhorner Berg (damals schon zu Preetz gehörig) nach Hamburg-Langenhorn gebracht worden sein. Von dieser Sammelstelle aus wurden die Menschen laut Dohnke in die Tötungsanstalt Brandenburg/Havel gebracht, wo sie sofort nach ihrer Ankunft in Gaskammern umgebracht wurden. Doch trotz dieser Familiengeschichte wurde 1987 auf dem Mühlenberg auf Initiative von Jaspersens Schwiegertochter und Witwe seines Sohns Wolfgang ein Gedenkstein enthüllt, der an den Sanitätsrat erinnert. Elisabeth Jaspersen schlug auch vor, einen Weg nach dem Arzt zu benennen. Im Jahr 2000 enthüllte der damalige Preetzer Bürgermeister Wolfgang Schneider das Straßenschild Jaspersengang. Vorschlag: Jaspersengang in Preetz soll umbenannt werden: Henning von Schöning und Ute Wörner von den Grünen schlagen nun eine Umbenennung in Windmühlengang oder eine komplette Entfernung der beiden Straßenschilder vor. Anderenorts sei die Adressenänderung schwierig für die Anwohner. „Das ist hier aber gar nicht der Fall, denn es handelt sich nur um einen Spazierweg, da hängen keine Hausnummern dran“, so von Schöning. Man müsse auch überlegen, was mit dem Gedenkstein passieren soll. Der Politiker möchte eine ergebnisoffene Diskussion in den Gremien in Preetz anstoßen. Wichtig sei ihm angesichts der Bilder aus dem Fernsehen über die Erstürmung des Kapitols in Washington, Reichsflaggen vor dem Reichstag in Berlin, Beschimpfungen der Presse und zahlreicher Verschwörungstheorien auch eine Auseinandersetzung mit antidemokratischem Verhalten in der heutigen Zeit. „Soll da Otto Jaspersen, der mit einer Pistole friedliche unbewaffnete Menschen eingeschüchtert hat, auf einem Straßenschild geehrt werden?“, fragt er. „Oder will nicht vielmehr eine Stadt gegenüber den Feinden von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie klar Position beziehen?“ Antrag zu Straßennamen im Ausschuss für Hoch- und Tiefbau: Die Grünen beantragen daher, in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Hoch- und Tiefbau den Tagesordnungspunkt „Straßennamen“ aufzunehmen. Dabei soll geklärt werden, welche Straßen und Wege in Preetz nach Personen, die während der Zeit der Weimarer Republik gewirkt haben, benannt wurden. Dabei könnte auch das Buch von Stadtarchivar Peter Pauselius über die Preetzer Straßen helfen. Außerdem geht es um die Fragen: Wer hat den Namen Jaspersengang vorgeschlagen? Welche Gremien haben darüber beraten? Die Grünen schlagen außerdem ein geordnetes Verfahren für die Benennung der Wohnstraße im Neubaugebiet Moorkoppel vor, in dem sich auch geschichtskundige Bürger mit ihrem Wissen einbringen könnten.