Heikendorf: Ina Spielhagen-Göser kennt das Geheimnis der sorbischen Ostereier

Eines vorweg: Für die sorbische Technik braucht man theoretisch nicht viel mehr als das, was man auf dem Lande zwischen Stroh und Bioabfällen finden kann. Nämlich Hühnereier, Federn, (Bienen)wachs und für das Färben Zwiebelschalen, Rote Bete oder Spinat. Dazu noch eine Kartoffel und einen alten Löffel, um das Wachs über einer Kerze zum Schmelzen zu bringen. Denn dort im Spreewald, wo die sorbische Technik bei den Westslawen ihren Ursprung hat, lebten die Menschen als Bauern von der Landwirtschaft und hatten nicht viel. Ina Spielhagen-Göser kennt die Technik von Kindheit an: „Ein Teil meiner westpreußischen Familie hat vor vielen Jahren dorthin geheiratet. Seitdem ist es bei uns Tradition, sorbische Eier für Ostern zu verzieren“, erzählt Ina Spielhagen-Göser. Sie selbst habe bereits als kleines Mädchen mit der kunstvollen Technik auf Hühnereiern begonnen. „Es ist wirklich ganz einfach“, verspricht sie. Zusammen mit der zehnjährigen Marie zeigt Ina Spielhagen-Göser exklusiv für die Kieler Nachrichten die traditionelle Wachsreserviertechnik, wie die Hobbyistin sie heute mit praktischen Helfern aus dem Haushalt anwendet. Dafür nutzt sie zum Stempeln von Wachs Glasnadelsteckköpfe und einen zurechtgeschnittenen Federschaft einer Entenfeder, die sie beide mit der unteren Spitze in zwei Streichhölzer schiebt, dazu klassische Ostereierfarbe aus dem Drogeriemarkt und natürlich Hühnereier ohne Kennzeichnung von einer geheimen Adresse. „Besonders die weißen ohne Stempel sind sonst schwer zu bekommen.“ Wo Wachs ist, bleibt keine Farbe haften: Modern ist mittlerweile auch der Schmelzvorgang des Wachses für das Stempeln und Streichen auf dem Hühnerei. Statt mit dem gebogenen Silberlöffel, der in einer Kartoffel steckt, wird bei Ina Spielhagen-Göser das Wachs eines zerbröckelten Teelichtes auf einem umgedrehten Bonbon-Blechdeckel über einem Stövchen geschmolzen. Und dann verrät sie Marie eine der wichtigsten Anleitungen: „Überall dort, wo Wachs hinkommt, bleibt keine Farbe haften.“ So entstehen später beim Tauchvorgang des Eis die kunstvollen Muster. Etwas gewöhnungsbedürftig ist für Marie, dass sie ein rohes, nicht ausgepustetes Ei zum Verzieren in der Hand hält. Den Grund erklärt ihr die Expertin: „Ein ausgepustetes Ei würde beim Färben oben schwimmen und nicht gleichmäßig gefärbt werden.“ Daher ist bis zum letzten Arbeitsschritt Vorsicht geboten. Doch Ina Spielhagen-Göser gibt sich zuversichtlich, aus Erfahrung. „Ein Ei hat die perfekte Form. Wenn es einwandfrei ist, geht es nicht kaputt.“ Mehrfarbige sorbische Eier brauchen Erfahrung: Und dann macht sich Marie ans Werk. Zunächst stempelt sie mit dem Glasnadelsteckkopf runde Punkte in einem Muster auf das Ei. Weil das einfacher ist, als beispielsweise Dreiecke mit der Feder zu setzen. Ihre Hand muss beim Stempeln ruhig, aber schnell arbeiten, damit das Wachs optimal platziert und nicht vorher fest wird. Reparieren gehe nämlich nicht, verrät Ina Spielhagen-Göser. Marie stempelt tapfer weiter. „Das macht Spaß“, urteilt die Zehnjährige. Aber am meisten freut sie sich auf das Eintauchen in die Farbe. „Es ist spannend, das Ergebnis zu sehen.“ Als Einsteigerin hat sich Marie für einen Tauchvorgang mit einer Farbe entschieden. Man kann auch mehrere machen. Aber dann werde es kompliziert, gesteht die Expertin. „Mehrfarbige sorbische Eier brauchen Erfahrung.“ Wichtig ist: Es darf nur Kaltfarbe verwendet werden, damit sich das Wachsmuster beim Färben nicht löst. Vielfältige Muster mit einer bestimmten Bedeutung Die Muster der sorbischen Eier sind vielfältig. Noch heute ist das Verzieren von Hühnereiern daher Brauchtum bei den Westslawen, der mit individuellen Wünschen und Botschaften verknüpft ist: Striche als Sonne oder Strahlenbündel angeordnet (mit Stecknadelkopf ziehen), stehen für das erwachende Leben und für den Frühling. Drei Punkte, die in einem Dreieck angeordnet werden (mit dem Stecknadelkopf tupfen), sind das Symbol für die Dreieinigkeit von Gottvater, Sohn und heiligem Geist oder das Symbol für die Einigkeit der Familie. Der Kiefernzweig steht für Gesundheit. Aneinandergereihte Dreiecke stehen für Wolfszähne und verbreiten nach alter Tradition eine Art Schutzzauber gegen Böses. Auch Farben können eine Bedeutung haben: Junge sorbische Männer verschenken an ihre Liebste gerne verzierte Eier in roter Farbe. Es gibt noch viele weitere Symbole, die in einer Anleitung zur Wachstechnik vom Sorbischen Kulturzentrum Schleife in Sachsen nachgelesen werden können. Das Heft ist gegen eine kleine Gebühr von einem Euro über das Internet zu bestellen (sorbisches-kulturzentrum.de). Schwierig: Erst verzieren, dann auspusten: Am Ende wird es bei allen sorbischen Eiern noch einmal knifflig. Dann müssen die fertig verzierten Ostereier ausgepustet werden, ohne kaputtzugehen. Der Trick: Erst mit einem Eierpikser anstechen, dann mit einem kleinen Kreuzschlitzschraubenzieher das Loch vorsichtig vergrößern, Eierhaut auszupfen und mit einem speziellen Eier-Blas-Gerät aus dem Drogeriemarkt das Innere herausholen. „Der Vorteil ist, es braucht nur ein Loch.“ Lesen Sie auch: Spazierweg-Tipp: Entdeckung der echten Ostseeküste Um das Wachs vom Ei zu lösen, holt Ina Spielhagen-Göser einen Föhn aus dem Badezimmer und wärmt das Ei an, bis sie alle Wachsreste mit einem Küchentuch entfernt hat.