Heikendorf: Mit dem Motorsegler quer durch Deutschland

Es ist ein ungewöhnliches Gespann, was sich von Heikendorf auf die Schnellstraße Richtung Kiel bewegt. Ein Wohnmobil mit einem acht Meter langen, röhrenförmigen Anhänger, der kaum höher ist, als ein Mensch im aufrechten Gang. Am Steuer: Jürgen Heiting mit grauer Schiebermütze und Vollbart. Hinter dem Heck wie in einer rollenden Sardinenbüchse: ein einsitziger, weiß-roter Motorsegler, zerlegt in mehrere Teile, damit er in den Anhänger passt. „Vom Ausräumen bis zum Flugbetrieb dauert es etwa eine Stunde. Das Zusammenpacken braucht länger, weil alles sorgfältig gemacht werden muss, damit nichts kaputtgeht“, erklärt der Hobbypilot. Ehefrau Ulla (69) packt bei den Tragflächen mit an, wenn der Wind den Zusammenbau für eine Person erschwert. Etwa 89 Kilogramm wiegt jeweils eine der beiden Tragflächen. Zusammen ergeben sie eine Spannweite von 13 Metern. Vom Ausräumen bis zum Flugbetrieb dauert es eine Stunde: Heute ist Jürgen Heiting auf dem Weg zum Flughafen Holtenau in Kiel. Das Wetter ist perfekt. Er möchte bis Wismar fliegen und abends wieder in Kiel landen. Am Tower erkundigt er sich nach den Abläufen auf dem Flugplatz und wird freundlich empfangen. Diese Erfahrung hat er wenige Tage zuvor auch in Düsseldorf gemacht. Dort ist er mit einer zweisitzigen Vereinsmaschine des Aero Club Emmerich gestartet. Und zwar nicht auf irgendeinem Flughafen, sondern auf dem internationalen Airport mit Kennzeichnung DUS. Der drittgrößte Flughafen Deutschlands und weltweites Drehkreuz für Nordrhein-Westfalen. „Wie ein Spielzeug kam mir mein Segelflugzeug vor“, erzählt der 73-Jährige, der seine Lizenz für Segler und Motorsegler bereits 1970 gemacht hat. Weil die Corona-Krise bundesweit für leere Flughäfen sorgt, kann Jürgen Heiting derzeit mit seinen Mini-Maschinen geteerte Startbahnen nutzen, einen Terminal-Klönschnack mit Lufthansa-Piloten halten und von „Follow Me“-Wagen über die Rollbahn eskortiert werden. „Das ist wirklich verrückt“, sagt er. Erst mal eine große Schleife über Heikendorf: Auf dem Flughafen in Kiel fährt ein gelb-schwarzer Wagen vorweg, als Jürgen Heiting seinen „Piccolo“ auf die Startbahn zusteuert. Er hebt ab und dreht erst einmal eine große Schleife über Heikendorf, wo seine Verwandten ihm von unten zuschauen können. Dann bewegt er sich entspannt in 800 Metern Höhe Richtung Fehmarn, keine Thermik, der Zweitaktmotor brummt, Himmel und Ostsee leuchten tiefblau um die Wette. Bis nach Wismar schafft er es nicht. Er kann zum Landen dort niemanden erreichen. Deswegen umrundet er die Insel Fehmarn und fliegt wieder zurück. „Jede Küste hat ein ganz anderes Bild. Diese Eindrücke muss ich jetzt erst einmal verarbeiten“, sagt Heiting nach seinem Flug. Am nächsten Tag macht er daher Pause und fliegt anschließend noch einmal den Nord-Ostsee-Kanal entlang. Eigentlich zieht es den Piloten auch auf die Insel Helgoland. Doch er hat Respekt: „Das kommt vielleicht, weil ich als Segelflieger groß geworden bin“, meint der Nordrhein-Westfale. Mit einem Segler könne er sich im Notfall immer ein Feld zum Landen suchen. Auf dem Weg nach Helgoland ginge das nicht, falls der Motor seines Piccolos mal versagt. „Dieses Abenteuer spare ich mir noch ein bisschen auf.“ Sein nächstes Ziel könnte stattdessen der Münchener Flughafen sein. Eigentlich wollte das Ehepaar Heiting dorthin schon längst mit ihrem spektakulären Wohnmobil-Anhänger unterwegs sein, doch weil das Wetter zuletzt im Norden deutlich besser war als im Süden, fiel die Wahl auf Heikendorf. Dort gibt es zwar keinen internationalen Flughafen, aber beste Flugbedingungen. Mehr aus dem Kreis Plön lesen Sie hier.

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