Komplizierte Abrechnungen in Lütjenburg: Vorsicht an der Stromtankstelle

Seit einem Jahr fährt Oliver Geith aus der Gemeinde Panker sein Elektromobil und ist damit zufrieden. Normalerweise tankt er mit Solarstrom vom eigenen Dach oder an der Ladesäule, die bei seinem Arbeitgeber steht. Da er ein bekennender Fan von E-Autos ist, wollte er auch einmal die Ladesäule auf dem Gildenplatz in Lütjenburg ausprobieren. Die Stadt ließ die Technik im Frühjahr 2018 installieren. Mit einer Ladeleistung von 50 Kilowatt pro Stunde (kWh) ist sie eine der stärksten Ladestellen im Kreis. Der Schock kam mit dem Kleingedruckten: Geith kommt ohne Ladekarte, dafür mit Handy und will über den QR-Code an der Vorderseite der Säule und per Paypal bezahlen. Anfangs ist er noch begeistert. „Das Scannen des QR-Codes und die Einrichtung eines Accounts waren super einfach“, lobt er die Technik. „Dann kam der Schock.“ Eher zufällig schaute er ins Kleingedruckte auf seinem Smartphone. 64 Cent sollte er für eine kWh bezahlen. Zum Vergleich: In Deutschland kostet eine Kilowattstunde für einen privaten Verbraucher durchschnittlich etwa 30 Cent. 12,80 Euro für 100 Kilometer im E-Auto? Die 64 Cent fand Geith viel zu teuer und ließ den Stecker stecken, verzichtete auf das Tanken an der Säule. Er rechnet vor: Ein E-Auto verbraucht auf 100 Kilometer rund 20 Kilowattstunden. Der Preis in Lütjenburg hätte auf dieser Strecke bei 12,80 Euro gelegen. „Da ist man mit einem Stinker, der zehn Liter verbraucht, noch günstiger unterwegs.“ Solche Preise behindern aus seiner Sicht den Umstieg von Verbrennungsmotoren hin zu Elektro. Geiths Bekannte Anette Ruge hat hingegen günstige Erfahrungen gemacht an der Lütjenburger E-Säule. Sie zahlte aber mit einer Ladekarte. Lesen Sie auch: Neuzulassung von E-Autos in SH steigt rapide an Lütjenburgs Bürgermeister Sohn will den Tank-Test machen: „Ich kann das nicht erklären. Das ist noch in der Prüfung“, sagt Bürgermeister Dirk Sohn zu dem aufgerufenen Preis. Die Stadt ließ die E-Mobil-Besitzer bis vor wenigen Wochen noch kostenlos tanken. Dann stellte sie auf ein Bezahlsystem um. Partner ist dabei eine österreichische Firma mit Filialen in Deutschland, die sich um die Abrechnung und die Einziehung des Geldes kümmert. Dabei war festgelegt worden: Die Stadt möchte genau 45 Cent pro Kilowattstunde. Darin enthalten sind auch schon die Kosten für die Abrechnung. „So ist die Anlage auch programmiert. Da gibt es keine Fehler.“ Unterschiedliche Ladekarten – unterschiedliche Preise: Tatsächlich erscheinen aber beim Blick auf die einzelnen Abrechnungen unterschiedliche Preise. Sohn stutzte darüber selbst und erklärt sich das mit den unterschiedlichen Ladekarten-Firmen. Zu seinem Erstaunen zahlten Eigentümer einer ADAC-Ladekarte sogar weniger als 45 Cent. Da gebe es wohl Rabatt-Absprachen. Andere wurden mehr Cent los. „Ich habe aber keine einzige Abrechnung gefunden, bei der 64 Cent pro Kilowattstunde gezahlt wurde.“ Lesen Sie auch: E-Autos im Winter besser vorheizen Demnächst steigt der Bürgermeister persönlich in ein E-Auto und testet, wie das Tanken geht und wie die Abrechnung der städtischen Ladesäule aussieht. Dabei will er exakt so vorgehen, wie es Oliver Geith beschrieben hat. Wenn der Preis wirklich bei 64 Cent liegen sollte, „dann wollen wir das geändert wissen“. Die Stadt wolle natürlich niemanden abzocken. Lütjenburg ist dabei, einen zweiten Standort für Ladesäulen einzurichten. Sie sollen am neuen Wohnmobil-Parkplatz in der Schillstraße stehen. Geplant sind zwei „Zapfsäulen“ mit einer Ladeleistung von jeweils 22 Kilowattstunden. Julia Buchweitz von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein hat eine klare Meinung: Die Abrechnung nach dem Tanken an einer E-Ladesäule sei „extrem kompliziert“. „Wir würden uns wünschen, dass ein fester Preis wie an einer herkömmlichen Tankstelle angezeigt wird.“ Doch das sei nirgends der Fall. Einige Ladekartenbetreiber verlangen zusätzlich eine monatliche Gebühr, manchmal zahlt man an einer Säule auch für die Zeit, in der man dort steht, andere Anbieter verlangen Roaminggebühren wie beim Handy. „Einheitlich, übersichtlich und klar“, wünscht sie sich die Preisübersicht. Davon sei man aber noch weit entfernt. Das Durcheinander erklärt sich Buchweitz, die im Projekt „Verbund in der Energiewende“ arbeitet, auch mit einer komplizierten Gesetzeslage. So gebe es zum Beispiel das Eichrecht und eine Ladesäulenverordnung. Eigentlich sollte nur pro Kilowattstunde abgerechnet werden, aber bei älteren Säulen fehle der Zähler. Das Abrechnungswesen an Ladesäulen fair und transparent zu handhaben, sei noch eine Herausforderung der Politik. Schließlich sei der Kauf von Elektroautos ausdrücklich erwünscht. „Das Abrechnungswesen steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl es dort nicht mehr sein sollte.“