Landgasthöfe im Kreis Plön in Sorge: Das lange Warten auf versprochene Hilfen

Conny Müller, Pächterin des Landgasthofes „Alte Schule“ in Wahlstorf, steht das Wasser bis zum Hals. Sie hat mit Stand vom 11. Januar keinerlei Reaktion auf die beantragte Novemberhilfe bekommen. Im Oktober hatte die Bundesregierung den Gastronomen eine finanzielle Hilfe in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes aus 2019 für die Monate November und Dezember versprochen. „Ich verstehe einfach nicht, was daran so kompliziert sein soll. Immer wieder heißt es, dass das an Softwareproblemen liegt. Wenn das so ist, dann muss man eben die 75 Prozent des vom Steuerberater angegebenen Umsatzes aus 2019 mit Taschenrechner und Bleistift ausrechnen“, meint sie verärgert. Tatsächlich hatte das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag nach übereinstimmenden Medienberichten technische Probleme eingeräumt, die nun aber behoben seien. Demnach könne die Auszahlung nach erfolgter Prüfung ab sofort über die Bundesländer starten. Lesen Sie auch: "Nachfrage nach Häusern ist unglaublich" Conny Müller berichtet, dass ihre Konten leergeräumt seien, sich die Rechnungen türmten und die Fixkosten weiterliefen. Dazu kämen zu Jahresbeginn fällige Versicherungs- und Mitgliedsbeiträge. „Ich halte mich momentan mit einem Privat-Darlehen über Wasser. Wenn die zugesagte Hilfe nicht bald kommt, muss ich wohl Insolvenz anmelden“, so die erfahrene Gastronomin. Sie musste Arbeitslosengeld II beantragen, ihre Mitarbeiterin in Kurzarbeit schicken und die fünf 450-Euro-Kräfte auf null setzen. "Alte Schule" in Wahlstorf: "Das aufzugebeben wäre ein Jammer": Die „ Alte Schule“ in Wahlstorf betreibt Müller seit 2015, das Gebäude gehört der Gemeinde. „Das aufzugeben wäre ein Jammer.“ Sie und ihr Lebensgefährte hätten fast ihr ganzes Geld und viel Kraft in Umbau und Modernisierung gesteckt. „Die Gemeinde unterstützt uns sehr. Beim ersten Lockdown im Frühjahr hat sie sogar für drei Monate auf die Pacht verzichtet“, berichtet die Gastwirtin und hofft auch jetzt auf Unterstützung. Dazu Wahlstorfs Bürgermeister Sönke Först: „Es ist noch nichts entschieden, aber wir werden eine Lösung finden.“ Stammgäste versuchten, mit Essensbestellungen zu helfen. „Das ist rührend und bringt wenigstens etwas Geld in die Kasse.“ Ihr Geschäftskonto weise inzwischen ein dickes Minus von rund 7000 Euro auf. „Ich bin der Förde Sparkasse dankbar, dass sie das im Moment mitmacht, aber so kann es ja nicht weitergehen.“ Das Sommergeschäft habe den Umsatzverlust von mehr als 50 Prozent gegenüber den Vorjahren nicht auffangen können. Auch die beiden Doppelzimmer und die Ferienwohnung stünden seit Monaten leer. Am 7. Januar hatte der Dehoga-Landesverband eine Umfrage zu den Novemberhilfen unter den rund 19.000 Mitgliedsbetrieben gestartet. Bis 12. Januar gab es dazu 304 Rückmeldungen. Danach hatten lediglich sechs Gastronomen die komplette Antragssumme erhalten und 244 zumindest eine Abschlagszahlung. Bei rund 40 Umfrageteilnehmern ist noch kein Geld eingegangen. Laut Bundeswirtschaftsministerium wurden bisher bundesweit über 1,3 Milliarden Euro an Abschlagszahlungen für November ausgezahlt. Bohnern, statt Gästewünsche zu erfüllen: Helge Möller vom Landrestaurant „Zum Beeksberg“ in Nettelsee sieht aktuell einen Hoffnungsschimmer: „Am 11. Januar wurde endlich eine Abschlagssumme der Novemberhilfe überwiesen. Das sind zwar nur rund 20 Prozent der Antragssumme, aber wenigstens passiert was“, so der Gastwirt. Sein Traditionshaus mit Saal, Bühne und Terrasse und gut 120-jähriger Historie lebt vor allem von Familienfeiern, Jubiläen und anderen größeren Veranstaltungen. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, greift der Chef schon mal zur Bohnermaschine, um das Parkett im Saal blank zu wienern. „Meine sechs festen Mitarbeiter habe ich wieder in Kurzarbeit geschickt. Jetzt stocke ich aber die Summe auf ihr normales Gehalt auf, denn das sind tolle Leute, die will ich nicht verlieren“, so Möller. Um den Betrieb am Laufen zu halten, habe er ein zinsgünstiges Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds der Investitionsbank Schleswig-Holstein aufnehmen müssen. „Während wir sonst im Sommer kaum alle Terminwünsche für Feierlichkeiten erfüllen können, gab es im Sommer 2020 ganze drei Feste mit je rund 50 Personen“, berichtet Möller. Den Einnahmeverlust gegenüber 2019 schätzt er auf rund 600.000 Euro. „Die Rücklagen sind aufgebraucht, das Geschäftskonto ist überzogen.“ Das Außer-Haus-Geschäft an den Wochenenden sieht der Gastwirt eher als eine Art Lebenszeichen „für unsere tollen Gäste, die versuchen, uns zu unterstützen“. „Es wäre schön zu wissen, wie es jetzt weitergeht, um irgendwie planen zu können“, meint der Gastronom. Landgasthof in Malente-Timmdorf: Zukunftspläne werden trotzdem geschmiedet: Die fehlende Planbarkeit treibt auch Anja und Torsten Kasch vom Landgasthof in Malente-Timmdorf um. „Das Reetdach müsste dringend erneuert werden, auch andere Investitionen müssen warten, denn weitere Kredite können wir uns nicht leisten“, sagt Torsten Kasch. Schon das Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds stelle ein großes Risiko dar, weil noch andere Kredite aus der Umbauphase liefen. „Renoviert wird trotzdem, auch in den zehn Doppelzimmern und vier Ferienwohnungen, das meiste in Eigenleistung, um Kosten zu sparen“, sagt Anja Kasch. Immerhin haben die Kaschst Ende Dezember einen Abschlag in Höhe von etwa 25 Prozent der beantragten Novemberhilfe erhalten. Doch ohne Neujahrsempfänge, Grünkohlessen oder Jahresversammlungen, die sonst über den Jahresanfang retteten, bleibe die Lage angespannt. Zumal sich jetzt schon Stornierungen für im Frühjahr geplante Feiern häuften. „Wir bleiben trotzdem optimistisch und planen die künftige Ausrichtung des Gasthofes, dessen 130. Jubiläum im nächsten Jahr gefeiert werden soll. Unser Ziel ist, noch stärker auf Nachhaltigkeit, Gesundheit und Regionalität zu setzen“, so Anja Kasch.