Den 100 Gästen der Reihe "Literatur am Meer gelesen" gefiel, was sie hörten. Und nicht nur ihnen. Köhler berichtete von ihrem gerade erst vor wenigen Wochen erschienenen Roman, dass er für den Deutschen Buchpreis nominiert ist. Es ist schon eine Auszeichnung, in diese engere Wahl gekommen zu sein. Und das einer Schreiberin, die erst ihren ersten Roman vorlegt.
Eingesprungen für Ulla Hahn
Dabei sollte eigentlich Ulla Hahn an diesem Abend die Lesung in Hohwacht bestreiten. Doch die renommierte Autorin musste kurzfristig absagen. Köhler, Jahrgang 1974, sprang ein. Es fiel ihr nicht schwer. „Im Genueser Schiff habe ich schon eine romantische Nacht mit meinem Freund verbracht“, beichtete sie dem Publikum. Natürlich habe sie sofort zugesagt.
Auflehnung gegen die alte Ordnung
„Miroloi“ heißt eine Totenklage der griechisch-orthodoxen Kirche, die von alten Frauen gesungen wird. Ein Lebenslauf als trauriges Lied. Die Hauptfigur des Romans, ein 15-jähriges Mädchen, singt ihre eigene Lebensgeschichte. Sie lebt auf einer abgeschiedenen Mittelmeer-Insel ohne Strom, ohne Komfort, ohne moderne Technik, geprägt von einfacher Landwirtschaft, karger Landschaft und Sonne. Dafür mit archaisch anmutenden Regeln. 13 alte Männer machen die Gesetze. Weil das Mädchen vor dem Bethaus ausgesetzt wurde, ein Findelkind war, darf sie keinen Namen tragen. Sie wird als Missgeburt bezeichnet und steht in der Hierarchie auf der Insel ganz unten. Aber in ihr wächst die Energie, Altes zu verändern, aufzubegehren. Sie lernt Lesen und Schreiben, obwohl das Frauen verboten ist. Sie verliebt sich in einem Jungen, der ihr in einer Vollmondnacht einen Namen schenkt, sie herausholt aus der Namenlosigkeit. Sie hält den Geistlichen auf der kleinen Insel entgegen: „Schüttelt Eure Strenge ab.“
Ein Klang wie beim Poetry Slam
Die Schauspielerin trägt ihre Texte in rasanter Sprache vor. Die Lesung erinnert zum Teil an Poetry Slam, was sie besonders unterhaltsam macht. Ihre Arbeit auf Theaterbühnen nützt ihr beim Vortragen.
Karen Köhler will ihren Roman auch als Kritik an den Religionen in aller Welt verstanden wissen. Religionen, die Frauen eine kleinere Rolle zugestehen als Männer. Religionen benutzten ihre Macht, um Frauen zu unterdrücken. Den Begriff „emanzipatorisch“ für ihren Roman lässt sie gelten. Es hätte aber auch ein junger Mann sein können, der sich gegen die alte Ordnung wendet und für mehr Gerechtigkeit und Rechte eintritt, gab die Hamburgerin zu.