Plön: MUS-Kommandeur Matthias Kähler im Interview

Der 60. Geburtstag sollte dieses Jahr groß gefeiert werden. Corona hat einen Strich durch die Planungen gemacht. Welche Partys haben die Plöner verpasst? Matthias Kähler: Wir hatten ein ganzes Festjahr geplant. Ich hatte eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich schon lange vor dem Jubiläum intensiv Gedanken gemacht hat. Die Partys, die die Plöner verpasst haben, reichen von Koch-Wettbewerben in kleinen Gruppen hier in der Lehrküche der Kochausbildung bis zu einem Unteroffizierball in der Kaserne. Auftritte vom Marinemusikkorps Kiel mit dem Musikzug Plön waren vorgesehen, auch eine ausländische Kapelle sollte dazugebeten werden. Wir hatten uns eine Art Military Tattoo auf dem Plöner Marktplatz vorgestellt. Das Spektrum war sehr breit. Von Kulturveranstaltungen bis zum schwingenden Tanzbein, vom Kochen bis zu Offenen Türen in der MUS. Von den Plöner Schulen hatten wir schon so viele Anmeldungen zu einem Kinderfest, dass wir daraus zwei Veranstaltungen hätten machen müssen. Wird irgendetwas nachgeholt? Nein. Aber weil die Begeisterung so groß war hier in den eigenen Reihen, werden wir den Gedanken zu einem Ball der Unteroffiziere der Marine weiterverfolgen. Da werden wir Kurs halten. Die Marineunteroffizierschule war ab Ende März im Lockdown. Einige Ihrer Soldaten leisteten ab April Amtshilfe in vier Hamburger Alten- und Pflegeheimen, wo Unterstützung dringend gebraucht wurde. Wird jetzt die Hilfe der Plöner Soldaten wieder benötigt? In Heimen, in Gesundheitsämtern, in Impfzentren? Die Aktion „Helfende Hände“ läuft weiter, aber Soldatinnen und Soldaten der MUS sind im Moment nicht betroffen. Andernorts sind Soldaten der Bundeswehr derzeit unterwegs, um das Corona-Tracking, also die Nachverfolgung der Pandemie-Entwicklung, durchzuführen. Auch in Pflegeheimen sind zurzeit Soldaten im Einsatz. Wir von der MUS sind in Bereitschaft, aber werden nicht abgerufen. Gerade eben habe ich aber eine dienstliche Anfrage auf den Tisch bekommen, wie viele Soldaten die MUS stellen kann, wenn die Impfzentren ihre Arbeit aufnehmen. Darauf bereiten wir uns vor. Unsere Ministerin hat bis zu 20000 Soldaten versprochen. Das ist eine nationale Kraftanstrengung. Und auch dafür ist die Bundeswehr da. Wir erwarten, dass diese Impfzentren bis zu zwei Jahren in Betrieb sein müssen. In der MUS finden seit Mai/Juni nach der Corona-Pause wieder Unteroffizierausbildung und Grundausbildung statt. Mit weniger Soldaten und Rekruten, um Abstand halten zu können? Wir werden in diesem Jahr wegen der Abstandsgebote und Unterbringungsvorgaben etwa 30 Prozent wendiger Soldatinnen und Soldaten ausbilden können im Vergleich zum Vorjahr. In einen Hörsaal dürfen wir jetzt nur zwölf statt 25 Anwärter setzen. Die Schülerzahlen in jedem Lehrgang sind also halbiert. Trotzdem läuft die Schule mit Volldampf. Die Grundausbildung wurde von drei Monaten auf sechs Wochen verkürzt, die Ausbilder fahren einen „doppelten Takt“ und haben dadurch ein hartes Jahr hinter sich. Ich bin stolz auf das, was diese Truppe geleistet hat. Und in der MUS gibt es wegen Corona jetzt nur Einzelstuben? Ja. Das kostet Platz. Aber auch der Bau neuer Gebäude und die Sanierung der Unterkünfte laufen parallel weiter. Zum Beispiel wird eine neue Schwimmhalle gebaut. Unsere alte ist baufällig. Wir brauchen aber eine Rettungs-Übungshalle für spezielle militärische Anforderungen – wie das Besteigen einer Rettungsinsel, das Anziehen einer Rettungsweste im Wasser und so weiter. Und wir müssen immer öfter Soldaten das Schwimmen erst einmal beibringen. Wo, Herr Kähler, waren Sie während des Lockdowns der MUS? Ich habe den Lockdown im März/April im Büro erlebt. In der ersten Phase habe ich mich mit meinem Stellvertreter hier in der MUS noch abgewechselt. Unabhängig davon war schon länger geplant, dass ich im dritten Quartal an einem Einsatz in der Ägäis teilnehme. Der begann wegen Corona mit einer 14-tägigen Quarantäne vorab. Mitte Juni bin ich dafür in ein Hotel in Hannover gezogen, das die Bundeswehr extra für Soldaten angemietet hat, die anschließend in die verschiedenen Einsatzgebiete verlegt werden. Am 29. Juni ging es per Flugzeug direkt nach Kreta und dort aufs Schiff. Sie haben nach Ihrer Rückkehr gesagt, sie hätten noch nie das Gefühl gehabt, so nah an einem Krieg zu sein. Das stimmt. Ich bin vor mehr als 45 Jahren im damaligen Kalten Krieg in die Bundeswehr eingetreten. Wir, also NATO-Einheiten und die des Warschauer Paktes, haben uns seinerzeit immer gegenseitig belauert. Es gab auch enge Situationen, aber ich war nie besorgt, dass ein Krieg beginnt. In der Ägäis ist es mir zum ersten Mal anders gegangen. Da hatte ich das Gefühl, dass unsere beiden NATO-Partner Türkei und Griechenland gleich aufeinander einschlagen. Wir waren auf einem deutschen Schiff unter NATO-Flagge in einer beobachtenden Rolle. Eine fast surreale Situation. Sie waren oft in Auslandseinsätzen. Hatten Sie Heimweh nach Plön? Ja, aber vor allem vermisste ich meine Familie. Vor Jahren war ich zum Beispiel für sechs Monate in einem Stab in Rom eingesetzt. Dort konnte mich meine Familie allerdings für ein Wochenende besuchen. In der Ägäis war ich Teil einer Schiffsbesatzung. Wegen der Pandemie waren wir als Besatzung isoliert, durften nicht an Land gehen, es gab keine Außenkontakte. Das war eine neuartige Herausforderung. Vom Auslaufen aus dem Heimathafen bis zur Rückkehr dorthin war die Besatzung fünf Monate unter sich. Ich ziehe meinen Hut vor den Besatzungsangehörigen und vor der Schiffsführung für die (Führungs-)Leistung, die dort erbracht wurde. Ich war nur drei Monate eingeschifft, möchte aber keinen Tag missen. Dies war eine besondere Erfahrung, die mir eine Vielzahl von Erkenntnissen gegeben hat. Ich habe so viel gelernt, dass es für fünf weitere Dienstjahre reicht. Lesen Sie auch: So entsteht Weihnachtgebäck im Passader Backhaus Aber Sie gehen Ende März in den Ruhestand. Das ist ja das Pech! Ich würde gerne so viele von diesen Erkenntnissen weitergeben. Doch irgendwann sollen auch einmal andere das Ruder übernehmen und ihre Chance erhalten. Und dann verlassen Sie Plön Richtung Molfsee? Aber ich bleibe mit Plön verbunden. Zum Beispiel als Mitglied der Plöner Schützengilde. Ich hoffe, Corona lässt es zu, dass ich mit der Gilde deren 400. Geburtstag feiern kann. Wenn unser 60-jähriges MUS-Jubiläum schon nicht geklappt hat…

Plön: MUS-Kommandeur Matthias Kähler im Interview - Festjahr fiel aus