Polizei-Chef im Interview "Corona fährt immer mit auf Streife"

Wie viel Liter Desinfektionsmittel haben Sie schon verbraucht in der Lütjenburger Polizeistation? Torsten Beese (lacht): Das ist eine gute Frage. Wir nutzen Halbe-Liter-Flaschen in diversen Spendern und geben diese nach Verbrauch zurück. In Kiel werden sie neu befüllt und wieder verteilt. Ich habe keine Ahnung, wie viel verbraucht wurde. Nach Betreten der Dienststelle desinfiziere ich meine Hände zum ersten Mal und weiß nicht, wie oft am Tage noch. Aber da kommt schon was zusammen. Im Einsatz kommen Sie Menschen oft nahe. Wie gehen Sie damit um? Corona fährt in Gedanken immer mit auf Streife. Wir als Polizei vor Ort müssen im Einsatzgeschehen trotz angelegter Maske immer damit rechnen, dass wir die für alle so wichtigen Abstandsregeln situationsbedingt selbst nicht einhalten können oder diese sogar bewusst missachten müssen. Zum Beispiel um auf eine aggressive und nicht zugängliche Person direkt einwirken zu können. Ganz übel kann es werden, wenn noch Alkohol- und Drogenkonsum dazu kommt und die Ausdünstungen des polizeilichen Gegenübers den eingesetzten Kolleginnen und Kollegen aus nächster Nähe entgegenschlagen. Ein Knackpunkt sind sicher Alkoholkontrollen, da wird ja in einen Alkomaten gepustet. Gibt es da Vorsichtsmaßnahmen? Grundsätzlich mit Maske, wie bei jedem Einsatz mit Personenkontakt. Zudem beachten die Beamten die Windrichtung. Den sollte man möglichst im Rücken haben. Und für den Probanden finden spezielle Mundstücke Verwendung, die mit einem Rückschlagventil versehen sind und so verhindern, dass einmal abgegebene Atemgase aus dem Gerät zurückströmen können. Wie hat Corona den Dienstablauf auf der Station verändert? Schon die morgendliche Begrüßung hat sich völlig verändert. Das Handgeben vor Corona war gang und gäbe und ist sehr schnell einem „Moin“ aus sicherer Entfernung gewichen. Inzwischen wird dies auch als völlig normal empfunden. Das Personal verteilt sich mehr auf die verschiedene Räume, der Abstand zwischen Arbeitsplätzen wurde, wo es nötig war, vergrößert. Dank der neuen Wache am Gildenplatz ließ sich dies auch bewerkstelligen. Für den Publikumsverkehr sind nicht mehr alle Räume zugänglich und für den Betrieb der Dienststelle gelten natürlich auch Hygienekonzepte. Im Sommer fiel es auf, dass sie ganz viele Fußstreifen durch Lütjenburg gegangen sind. Was steckte dahinter? Das sind Präsenz-Erhöhungen aufgrund der Corona-Lage gewesen. Hier ging es insbesondere an Örtlichkeiten mit hohem Personenaufkommen um die Einhaltung der Regeln, aber auch darum, ein Lagebild zu diesem Thema zu erhalten. Auch in Lütjenburg sind aufwachsende Verschärfungen hinzugekommen. Ich denke da an die Maskenpflicht auf Wochenmärkten, an der Südseite des Marktplatzes und an den Haltestellen des ÖPNV. Bei schlechten Wetter machen Sie keine Fußstreifen? Wenn es weder Anlass noch Schwerpunkt gibt, dann nicht. Wir wollen dahin, wo viele Menschen zusammenkommen. Was fiel ihnen im Sommer noch so auf? Als die Campingplätze, Hotels und Pensionen schließen mussten, tauchten überall im Umland und besonders an der Küste Wohnmobile auf, die sich hinstellten, wo Platz war, um dort auch gleich zu übernachten. Dies ist aber nicht zulässig. Da es häufig an der Einsichtsfähigkeit der Betroffenen fehlte, wurden so viele Anzeigen gefertigt wie selten zuvor. Ein großes Thema waren auch die Zweitwohnsitze, die zeitweise nicht genutzt werden durften. Die Ordnungsämter und wir haben dazu eine Vielzahl an Anrufen und Hinweisen aus der Bevölkerung entgegennehmen müssen. Lesen Sie auch: So änderte die Polizei ihre Dienstregeln zu Beginn der Pandemie Es gibt eine ganz kleine Szene von Querdenkern in Lütjenburg, in der prinzipiell keine Masken getragen werden. Wie gehen sie auf diese Menschen zu? Auch mit Maske (lacht). Wir hatten einen Fall, bei dem ein Mann in einem Supermarkt keine Maske aufsetzen, aber trotzdem dort einkaufen wollte. Er wollte einfach mal austesten, was passiert. Der Ladenbesitzer wollte den Mann erfolglos des Marktes verweisen und hat uns dann angerufen. Wir halfen ihm dann dabei, sein Hausrecht durchzusetzen. Hat Corona die Einsatzhäufigkeit beeinflusst? Insgesamt ist es ruhiger geworden. Die Zahl der Anzeigen und Unfälle sind zurückgegangen. Teilweise haben wir auf den Straßen kaum Verkehr gehabt. Das erinnerte schon an die Öl-Krise in den 70er-Jahren. Zugenommen haben aber Einsatzberichte durch zusätzliche Präsenzstreifen, die an örtlichen Schwerpunkten mit hohem Personenaufkommen die Einhaltung der Corona-Maßnahmen kontrollieren. Auch der Publikumsverkehr zur Polizeistation hat abgenommen. Die Leute rufen vorher an, wenn sie ein Anliegen haben. Vieles lässt sich auch telefonisch klären und einfache Sachverhalte können auch über die Online-Wache angezeigt werden. Auch hier geht es um Kontaktreduzierung. Lesen Sie auch: Polizei warnt vor Corona-Schockanrufen Wie sind die Kontrollen ausgefallen? Überwiegend haben wir in Lütjenburg keine Verstöße festgestellt. Hier kann ich den Bürgern nur ein Lob aussprechen. In wenigen Fällen wird das Tragen der Maske durch Unachtsamkeit auch mal vergessen, auf Ansprache dann aber auch sofort nachgeholt. Und auch Wiederholungsfälle in puncto Maske und Abstände gibt es; dann meist in Verbindung mit Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit. Weigert sich jemand trotz Aufforderung eine Maske aufzusetzen, werden schon einmal 150 Euro fällig. Aber die Zahlen sind verschwindend gering.