Schicksal in Stolpe: Von Corona aus der Bahn geworfen

Das Verhängnis in Stolpe nahm mit einer Sitzung des Bau-, Wege- und Umweltausschusses am 11. März 2020 seinen Lauf – und damit wenige Tage vor Verhängung des ersten Lockdowns. „Ich hatte noch überlegt, ob ich zur Sitzung gehe oder nicht“, erinnert sich Theresia Künstler. Mit ihrem Ehemann und Ausschussvorsitzenden Thomas Wendt nahm sie den Ausschusstermin wahr. Die Folge: Alle Sitzungsteilnehmer wurden infiziert, Theresia Künstler erwischte es dabei besonders schlimm. Drei Wochen lag Theresia Künstler im künstlichen Koma: Neun Tage nach der Sitzung bekam die 68-jährige Stolperin eine Lungenentzündung – und brach zusammen. Mit dem Rettungswagen wurde sie ins Preetzer Krankenhaus gefahren, neun Wochen lag sie dort. Besuche waren verboten, auch ihre drei Kinder durften nicht kommen. Die ersten drei Wochen verbrachte sie auf der Intensivstation, dort wurde sie in ein künstliches Koma versetzt und musste beatmet werden. Ihr Ehemann blieb wie viele andere Stolper im vergangenen Frühling in Quarantäne, er bildete nur milde Symptome aus. Jeden Tag rief Thomas Wendt im Krankenhaus an: „Teilweise war es nicht klar, ob sie durchkommt, das waren schlimme Momente“, erzählt der 55-jährige Bahnmitarbeiter. Viel geholfen hat dem Ehepaar die Unterstützung aus dem Dorf. Viele Stolper hätten sich gemeldet, Nachbarn brachten Blumen vorbei. Theresia Künstler ist zudem noch heute dankbar über die Zuwendung und den Bemühungen der Ärzte und Krankenpfleger in Preetz. Nur langsam erholte sich die pensionierte Lehrerin, nach einer dreiwöchigen Reha erhält sie weiterhin physiotherapeutische Unterstützung. „Ich musste wieder atmen und gehen lernen“, berichtet sie. "Corona ist kein Kinkerlitzchen": Die jetzt weiter verschärften Lockdown-Beschränkungen finden ihre volle Zustimmung. „Corona ist kein Kinkerlitzchen, das müssen die Leute begreifen“, betont die Grünen-Vertreterin, die sich seit 29 Jahren in der Kommunalpolitik engagiert und dafür vor vier Jahren mit der Freiherr-vom-Stein-Verdienstnadel ausgezeichnet wurde. Den Status als „Corona-Dorf“ hat Stolpe aber nicht mehr inne, sagen Künstler und Wendt. Die Bezeichung Corona-Dorf machte landesweit die Runde, nachdem zwei Stolper an oder mit dem Coronavirus gestorben und für viele Bewohner Quarantäne angeordnet wurde. Zeitweise war die Feuerwehr nicht einsatzbereit, dazu wurde Handwerker aus Stolpe in anderen Orten mit den Worten „Werdet erstmal wieder gesund“ nach Hause geschickt. Bauer Matthias Stührwoldt litt an Thrombose: Zu den Erkrankten gehörte auch Matthias Stührwoldt. Der 52-jährige Milchbauer und Autor fühlte sich zunächst antriebs- und appetitlos – aber dabei blieb es nicht. Bei dem Vater von fünf Kindern wurden kurz darauf Thrombosen in beiden Beinen festgestellt, er musste Blutverdünner-Medikamente nehmen. Zu den jetzt getroffenen Lockdown-Verschärfungen will sich der Grünen-Vertreter und stellvertretende Bürgermeister kein Urteil erlauben, grundsätzlich sei es aber der richtige Weg. „Ich habe große Hochachtung vor den Politikern, die jetzt Verantwortung tragen“, betont Stührwoldt. Lesen Sie auch: Kritik am Kreis-Gesundheitsamt: Keine Isolation für infiziertes Kind Gut und richtig findet er, dass die Gemeindevertretersitzung am 16. Dezember 2020 und damit einen Tag nach Schließung der Geschäfte abgesagt wurde. „Wenn sich auf dieser Sitzung Leute infiziert hätten, wären wir ganz schnell wieder das Corona-Dorf.“