Schlesen: So ist das Leben im Funkloch

Wenn Birger van Wickeren abends mit dem Auto nach Hause fährt, kündigt sich das Unheil schon sechs Kilometer vor seinem Wohnort Schlesen an. Ein Funkloch - am Rastorfer Kreuz. Telefonate brechen einfach ab. Obwohl es wenig später wieder besser wird, weiß van Wickeren, dass ihn in seinem Haus in Schlesen dasselbe erwartet. Im Erdgeschoss: kein Empfang. Will van Wickeren mit dem Handy telefonieren, geht er in den ersten Stock. Dann stellt er sich still hin und hofft, dass er irgendwann Netz hat. Mobilfunkempfang in Schlesen oft nicht vorhanden: 548 Menschen wohnen in der Gemeinde Schlesen, die in der Mitte zwischen Schönberg und Preetz liegt. Der Dobersdorfer See ist in Fußnähe des idyllischen, kleinen Dorfes. Doch die Einwohner haben ein Problem: Das Mobilfunknetz ist instabil, an vielen Stellen gar nicht vorhanden. So ist es auch im Haus von Birger van Wickeren. Der 45-Jährige hat in seinem Smartphone sogar zwei SIM-Karten, von unterschiedlichen Mobilfunkanbietern. Guten Mobilfunkempfang sucht er dennoch vergeblich. Für van Wickeren eine große Belastung. Das Mobilfunknetz war vier Jahre lang sein einziger Zugang zu Internet und Telefon. Damals brannte sein Haus ab. Als anderthalb Jahre später ein neues gebaut war, wollte van Wickeren über die Telekom seinen alten Telefon- und Internetanschluss wieder installieren lassen. "Das Kabel war ja noch auf dem Grundstück", sagt er. Leben ohne Internet in Schlesen: Doch die Telekom wollte einen neuen Anschluss legen – für 800 Euro. Da zur gleichen Zeit auch der Glasfaserausbau in Schlesen starten sollte, unterschrieb van Wickeren seinen Vertrag stattdessen dort. Doch dann passierte nichts. Jahrelang musste von Wickeren nahezu ohne Internet und Telefon leben - mit Glück hatte er manchmal ausreichend Mobilfunkempfang zum Telefonieren. Wie ist das? "Natürlich frustrierend – aber es hat auch einen Vorteil", sagt van Wickeren. "Man kommt abends anders zur Ruhe. Man packt das Telefon eher zur Seite, weil man sowieso nicht erreichbar ist." In Notfällen telefonierte er bei Nachbarn. Vor wenigen Tagen kam dann die frohe Botschaft: Der Glasfaseranschluss ist endlich da. Die Mobilfunk-Situation ist aber nach wie vor mangelhaft. Lesen Sie auch: Funklöcher pflastern das Kieler Umland Funkmast direkt vor dem Dorf: Vor van Wickerens Haus verläuft die Dorfstraße, die direkt durch Schlesen führt. 200 Meter weiter, in Richtung Schönberg, strahlt einem das gelbe Schild entgegen, welches den Ortsausgang Schlesens verkündet. Dahinter erstrecken sich Felder neben der Landstraße, Gänse fliegen durch die Lüfte. Am Horizont ragt ein Metallturm in die Luft. Ein Funkmast. Nur rund einen Kilometer von Schlesen entfernt. "Der Mast ist da", sagt Schlesens Bürgermeisterin Anja Funk. Doch die Mobilfunkanbieter nutzen ihn nicht. Angeblich sei die Versorgung in Schlesen gut – eine Feststellung, die für Funk wie Hohn klingt. In ihrem Haus hat sie fast keinen Empfang, kann keine Anrufe auf dem Handy annehmen. "Wenn ich aus dem Haus gehe, habe ich manchmal zehn verpasste Anrufe", sagt sie. In ihrer Funktion als Bürgermeisterin eine kaum tragbare Situation. "Ob man hier in Schlesen Empfang hat, ist einfach nur Zufall", sagt sie. Schlesen bewirbt sich bei Aktion der Telekom: Deswegen kämpfen Funk und die Gemeinde Schlesen dagegen an. Sie wollen bei der Aktion "Wir jagen Funklöcher" der Deutschen Telekom mitmachen. Der Mobilfunkanbieter sucht 50 Gemeinden in Deutschland. Dort sollen Funklöcher gestopft werden. Interessierte Gemeinden müssen sich bewerben. Im Gemeindeblatt stellten Funk und andere Politiker vor Ort die Aktion vor. Durch viele positive Rückmeldungen war schnell klar, dass Schlesen sich bewirbt. "Wir sind fast fertig", sagt Funk. Eine Unterstützerliste mit mehr als zwanzig Unterschriften und ein Bewerbungsvideo will Schlesen bis Ende November einreichen. Für das Video wurde sogar mit einer Drohne gefilmt, bald soll der Text eingesprochen werden. Funklöcher in Schlesen: Zwischen Skepsis und Optimismus: Auch Stephan Conen will sich der Aktion noch anschließen. Der 50-Jährige wohnt seit 20 Jahren in Schlesen und vermietet Wohnmobile. 80 Prozent seiner Kunden rufen mobil an oder wünschen einen Rückruf. "Ohne Netz ist das natürlich schwierig", sagt Conen, der die Situation in Schlesen als "Katastrophe" bezeichnet. Ob die Bewerbung bei der Telekom ein Erfolg wird? "Ich habe meine Zweifel - wir warten hier schon so lange", sagt Conen. Auch van Wickeren ist noch skeptisch - die schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit wiegen schwer. Bürgermeisterin Anja Funk zeigt sich optimistischer: "Ich habe viel Hoffnung." Klar ist aber auch: 50 Gemeinden in Deutschland sind nicht viel. "Allein im Kreis Plön bekommen wir die schon zusammen. Hier gibt es überall Funklöcher", sagt Funk. Der Erfolg der Bewerbung ist also noch unsicher, die Bewerberzahl dürfte groß sein. Der Kampf für stabiles Mobilfunknetz geht in Schlesen aber unabhängig davon weiter. Mit der Telekom ist Anja Funk auch schon anderweitig im Kontakt. "Die kleinen Gemeinden werden schnell vergessen – damit ist jetzt Schluss." Mehr aus dem Kreis Plön lesen Sie hier.

Schlesen - Kein Netz: Ein Dorf lebt im Funkloch