Bordesholm wagt Strom-Experiment

Für genau eine Stunde wird Bordesholm vom allgemeinen Stromnetz genommen, in dem auch der Saft von Kohle- und Atommeilern fließt. Betroffen ist der komplette Ort mit allen 4000 Haushalten – unabhängig davon, ob sie Kunden bei den VBB sind oder nicht. Dann schlägt die Stunde des Batteriespeichers, den der Energieversorger für zehn Millionen Euro gebaut hat. Frank Günther steht unter Strom: Schon Tage vor dem Test steht Frank Günther unter Strom. „Das ist ein spannender Moment, ich habe Herzklopfen, wenn ich nur daran denke“, räumt der VBB-Geschäftsführer ein. Das Szenario steht: Wenn um 15 Uhr die letzte von drei Verbindungsleitungen zum Stromnetz ausgeschaltet werden, soll eine 50-stel-Sekunde später der Batteriespeicher zum Leben erwachen. Funktionieren müssen dann die sogenannten Wechselrichter – sie sollen weiterhin für eine stabile Spannung im Ort sorgen. Im Mai 2019 ist der Batteriespeicher in Betrieb gegangen. Der Test am 30. November soll beweisen, dass die Gemeinde Bordesholm komplett und dauerhaft über die vor Ort produzierte regenerative Energie mit Strom versorgt werden kann. Damit fungiert der Batteriespeicher als autarke Insellösung. Bei dem Experiment wird das Kraftpaket mit einer Ladung von maximal 60 Prozent an den Start gehen – die Versorgungsbetriebe gehen davon aus, dass während des Tests überschüssiger Strom aus den regenerativen Quellen des Ortes den Speicher weiter auflädt. Auch bei einem Stromausfall würde die Anlage die Gemeinde für bis zu zwei Stunden weiter mit Strom versorgen. Mit dem Projekt hat das gemeindeeigene Unternehmen eine Vorreiterrolle inne. Zusätzlich nimmt der Speicher mit seinen 48000 Akkus zu je drei Volt Leistung am Strommarkt teil und soll einen Umsatz von einer Million Euro generieren. Denn mit der Stromabschaltung kommt der Strom für die Versorgung Bordesholms nicht direkt aus den rund 48 000 Akkus im Batteriespeicher. Vielmehr soll für eine Stunde lang die vor Ort erzeugte, regenerative Energie alle Fernseher, Waschmaschinen oder Computer vor Ort am Leben halten. Europaweit einzigartiger Test: Frank Günther ist überzeugt davon, dass die Fotovoltaikanlagen auf Hausdächern, die Blockheizkraftwerke und das Biomassekraftwerk im benachbarten Brügge ausreichend Strom liefern. Falls nicht, fließt der Strom aus dem Batteriespeicher. Ein simulierter Test im Mai ohne Netzabschaltung verlief reibungslos. „Beim Umschalten auf den Speicher hat nicht mal eine Leuchte geflackert“, erinnert sich der technische Leiter Martin Schölermann. Die VBB sind aber auch auf den schlimmsten Fall eingestellt. Für das Wochenende gilt Urlaubssperre, ein Technikteam bestehend aus zehn Mitarbeitern steht parat. Anzeigen mit Informationen und Notfall-Telefonnummern wurden geschaltet, eingebunden ist auch die Schleswig-Holstein Netz AG. In Bordesholm dabei sind zudem drei Vertreter des Wechselrichter-Herstellers, dazu wird das Experiment wissenschaftlich von Prof. Eberhard Waffenschmidt von der Technischen Hochschule Köln begleitet. Sollte der Wechsel nicht wie geplant klappen, werden durch genau festgelegte Schaltungen die Haushalte wieder an das allgemeine Stromnetz angeschlossen. In längstens 15 Minuten sollen dann in Bordesholm wieder die Stromzähler laufen. Bei nachgewiesenen Schäden würde der Kommunale Schadensausgleich einspringen. Im Notfall kann aber auch der Batteriespeicher seine Kapazität von sieben bis acht Megawatt ausspielen. Günther geht aber davon aus, dass der seines Wissens nach mindestens europaweit einzigartige Test funktioniert. „Damit beweisen wir, dass mit erneuerbaren Energien die Lichter eben nicht ausgehen.“ Weitere Nachrichten aus Rendsburg lesen Sie hier.

Ein Ort trennt sich vom Netz - Bordesholm wagt Strom-Experiment