Büdelsdorf: Stadt arbeitet trotz Wachstum an Ideen zum Klimaschutz

Seit vielen Jahren wächst die Stadt Büdelsdorf im Kern und an ihren Rändern, dehnt sich mit Unternehmen, Einzelhandel und dem zugehörigen Autoverkehr zuletzt immer weiter in Richtung A7 aus. Das stellt die Kommune vor große Herausforderungen, wenn es darum geht, die Klimaschutzziele einzuhalten. Rainer Hinrichs ist seit knapp vier Jahren Bürgermeister der Stadt und spricht in Sachen Klimaschutz von einer anspruchsvollen Übergangsphase, in der sich die Städte und Gemeinden derzeit befinden. Herr Hinrichs, die Hollerstraße quer durch Büdelsdorf zählt zu den am stärksten befahrenen Straßen im Kreis. Kann das so weitergehen? In der Tat gehen wir für die nächsten Jahre vor allem beim Individualverkehr noch von steigenden Verkehrszahlen aus. Das hat spürbare Auswirkungen nicht nur auf die Hollerstraße. Es gibt Berechnungen, wonach die Verkehrskreisel zwischen der Stadtgrenze und der Autobahn spätestens im Jahr 2023 an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. Dazu laufen bereits Gespräche mit dem Land, wie man dem begegnen kann. Etwa durch eine neue Diskussion um die Nordspange? Bevor neue Straßen unsere Naherholungsgebiete zerschneiden, müssen wir uns kritisch hinterfragen, ob wir die Kapazitäten der vorhandenen Verkehrswege und die Möglichkeiten neuer Mobilitätsformen optimal ausgeschöpft haben. Da sehe ich noch viel Entwicklungspotenzial. Bis zur Verkehrswende, die in Zukunft sicher kommen wird, wollen wir gemeinsam mit den Nachbarkommunen, dem Kreis und der Kiel-Region an attraktiven umweltfreundlichen Mobilitätsangeboten wie Elektrobussen, Car-Sharing-Angeboten und Fahrradstationen arbeiten. Ich freue mich, dass alle Bürgermeisterkollegen meinem Vorschlag zugestimmt haben, gemeinsam mit den Menschen und Unternehmen der Region Rendsburg einen Verkehrsentwicklungsplan zu erarbeiten. Ziel muss es sein, die klügste Strategie zu finden, um dem Wunsch der Menschen nach Mobilität und besserem Klimaschutz optimal zu verbinden. Nur so werden wir unserer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen gerecht werden können. Ich hatte neulich junge Leute am Tisch, die mich gefragt haben, ob unsere Antworten auf den steigenden Verkehr nur aus weiterer Versiegelung der Natur und dem Abriss von Kicks bestehen. Gemeinsam mit unseren Umlandgemeinden müssen wir auf diese Fragen Antworten finden. Eine zentrale Frage an die Politik in Rendsburg wird dabei sein, ob es künftig noch Autos in der Innenstadt dort geben soll oder nicht. Solche Entscheidungen ziehen Verkehrsströme aus den Umlandgemeinden nach sich. Wird sich die Stadt denn weiterhin ausdehnen? Wir stoßen in Büdelsdorf mit unseren baulichen Entwicklungsmöglichkeiten ganz klar an unsere Grenzen. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit haben wir uns als erste Kommune in der Region dazu bekannt, unsere baulichen Entwicklungen auf den sogenannten „Innenbereich“ zu beschränken. Das sind im Wesentlichen solche Flächen, die entweder schon bebaut sind oder für die ein Baurecht besteht. Als eine der ersten Kommunen in Schleswig-Holstein planen wir mit Unterstützung der Landesplanung ein „urbanes Gebiet“. In diesem Quartier sollen zukünftig Menschen in attraktiver Lage umgeben von viel städtischem Grün wohnen und arbeiten können. Das ist gut für das Klima, wenn weniger Pendlerverkehr bedeutet weniger CO2-Ausstoß. Urbanes Wohnen und Arbeiten ist bei jungen Fachkräften sehr beliebt. Deshalb verfolgen wir auch das Ziel, den Grüngürtel um Büdelsdorf noch weiter zu stärken. Wo immer es sinnvoll ist, kaufen wir als Stadt weitere Flächen dazu und geben der Natur wieder mehr Raum. Unser Moorwiesenkonzept, die jährlichen Baumpflanzaktionen oder der von uns geplante Erinnerungswald sind weitere wichtige Umweltprojekte. Wie wichtig uns der Klimaschutz ist, kommt auch durch unser Ortsentwicklungskonzept zum Ausdruck. Darin sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen, um noch mehr Grün in die Stadt zu holen. Darüber hinaus wollen wir noch in diesem Jahr ein Klimaschutzkonzept auf den Weg bringen, damit sich Menschen, Natur und Wirtschaft noch mehr in Büdelsdorf wohlfühlen. Das heißt, Büdelsdorf wird grüner? Ja. Stillgelegte Flächen wie der alte kirchliche Friedhof werden wir weiter ökologisch aufwerten, in jedem Stadtquartier wollen wir für die dort lebenden Menschen grüne Oasen der Ruhe entwickeln, alle Bäume in einem Kataster erfassen und viel nachhaltiger an die Bewirtschaftung der Grünflächen herangehen. Das sorgt in den einzelnen Quartieren für mehr Lebensqualität. Das ist etwas, was wir von jungen Büdelsdorfern immer wieder hören. Sie möchten die Vorzüge einer Stadt genießen, sich aber im Grünen erholen oder dort Sport treiben. Diese Mischung wird immer mehr zu einem Standortfaktor für Wohnen und Arbeiten. Dem wollen wir gerecht werden. Muss man sich Klimaschutz als Kommune erst einmal leisten können? Wir stehen aktuell vor einer Vielzahl von Herausforderungen, deren Finanzierung wir bewältigen müssen. Dazu zählen die notwendigen Investitionen in Bildung und Betreuung von Kindern genauso wie die in Digitalisierung und Klimaschutz. Deshalb stehen wir wie viele andere Kommunen vor der zentralen Frage: Wie können wir das alles auf lange Sicht nachhaltig finanzieren? Obwohl die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben auch im Büdelsdorfer Haushalt immer weiter auseinander geht, sind uns auf der Einnahmenseite klare Grenzen auferlegt. Die Politik signalisiert, dass angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise Gebühren, Beiträge und Steuern grundsätzlich nicht angehoben werden sollen. Das bedeutet, dass wir für die Finanzierung wichtiger Vorhaben wie den Kindergartenanbau oder unseren Schulneubau höhere Kommunalkredite aufnehmen müssen. Das alles ist mit einem erheblichen finanziellen Kraftakt verbunden. Wie meinen Sie das? Solange etwa beim kommunalen Finanzausgleich eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Kommunen nicht sichergestellt ist, wird sich an der angespannten Finanzlage der Kommunen nicht viel ändern. Landauf landab sind von den Städten und Gemeinden gewaltige Investitionen für die Infrastruktur zu stemmen. Aktuell auch in Bezug auf den Klimaschutz. Für Büdelsdorf hege ich die Hoffnung, dass unsere erfolgreiche Ansiedlungspolitik uns in den nächsten Jahren deutlich höhere Gewerbesteuereinnahmen beschert. Daneben bleibt es Aufgabe unserer örtlichen Politik, über die Haushaltskonsolidierungsvorschläge der Verwaltung zu entscheiden. Denn wir machen schon jetzt die Erfahrung, dass klimafreundliches Bauen zunächst einmal mehr Geld kostet. Also müssen wir uns alle gewaltig anstrengen, um finanzielles Spielräume für den Klimaschutz zu verschaffen. Mir ist es wichtig, bei unseren Projekten für eine nachhaltige Finanzierung zu werben. Haben Sie ein Beispiel? Nehmen Sie unsere neue Heinrich-Heine-Schule. Deren Baukosten lagen nicht zuletzt wegen unserer Investitionen in moderne Klimastandards bei rund 20 Millionen Euro. Ich erinnere mich an lange Abendsitzungen, bei denen wir Gewerk für Gewerk besprochen haben, welche Maßnahmen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Es hat sich jetzt gezeigt, dass wir im Vergleich zum Altgebäude dank des Niedrigenergiestandards des Neubaus samt Fotovoltaikanlage und Blockheizkraftwerk rund 180.000 bis 200.000 Euro Betriebskosten pro Jahr sparen. Das zeigt: Nachhaltiges Bauen ist zwar anfangs häufig teurer, kann aber langfristig Geld sparen. Wir müssen daher Investitionen in den Klimaschutz auch als Chance sehen. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden konnte Büdelsdorf diese zusätzlichen Investitionen offenbar aufbringen. In der Tat sind die vielen positiven Entwicklungen in Büdelsdorf auf unsere enorme Wirtschaftskraft zurückzuführen. Davon profitiert auch die Natur. Anders hätte es sich die Stadt nicht leisten können, in Bünsdorf Ackerflächen in einer Größenordnung von 20 Hektar zu erwerben, um darauf wertvolle Wald- und Biotopflächen anzulegen. Aus den Gewerbesteuereinnahmen werden wir zukünftig auch Finanzmittel für den Klimaschutz generieren. Dafür nehmen wir gerne auch die Beschäftigten und Zulieferer in Kauf, die täglich – zukünftig hoffentlich klimafreundlicher - über unsere Hollerstraße fahren. Der eine oder andere würde sicher auf das Fahrrad steigen, wenn die Strecke entlang der Hauptverkehrsachse einladender wird. Aus diesem Grund soll noch in diesem Jahr mit den Bauarbeiten für unsere Veloroute entlang der Hollerstraße begonnen werden. Dort entsteht eine attraktive Radwegeverbindung nach modernen technischen Standards, unter anderem beim Fahrbahnbelag oder bei der Trennung von Fußgängern und Radfahrern. Daneben haben wir für den Neubau einer Fahrradstraße im Stadtgebiet Fördermittel beantragt. Wir wollen unsere Verkehrsinfrastruktur fahrradfreundlich und möglichst barrierefrei gestalten. Studien haben nämlich gezeigt, dass sich die Menschen in unserer Region selbst auf den Kurzstrecken bis drei Kilometer am liebsten mit dem Auto fortbewegen. Sollte die Stadt dann nicht den ÖPNV stärken? Auch da wird sich schon bald noch mehr bewegen, damit Busverbindungen noch bedarfsgerechter angeboten werden können. Zusätzliche Bushaltestellen sind geplant. Und, was mich besonders freut, ein neuer Bahnhaltepunkt auf der Stadtgrenze zu Rendsburg. Ich finde, ein wirklich tolles Projekt. In unserem Quartier an der Hollerstraße-West leben viele Menschen mit eingeschränkter Mobilität, zum Beispiel in der Seniorenwohnanlage Am Park. Für diese Menschen ist es ein gutes Stück Lebensqualität, wenn sie schon bald barrierefrei direkt vor der Tür in einen Zug steigen können, um auf eine Tasse Kaffee nach Husum oder nach Kiel zu fahren.