Bibeltreue Seniorin trifft auf Langzeitarbeitslosen und verliebt sich in den hilfsbereiten jungen Mann. Doch Hudi ist nicht, wer er vorgibt zu sein: Zermürbt von erfolglosen Besuchen im Jobcenter, will er vor allem an Anita Kramers Geld.
Eine böse Geschichte entwickelt sich da in Christoph Nußbaumeders „Mutter Kramers Fahrt zur Gnade“. Das gesellschaftskritische Drama wird wegen seiner Nähe zur Alltagswirklichkeit dem modernen Volkstheater zugerechnet.
Premiere im Landestheater
Am Wochenende war Premiere im Landestheater. Regisseur Martin Pfaff verzichtet auf Bühnenrealismus und lässt die Figuren pur wie unter einem Brennglas agieren. Eine wuchtige Kugel beherrscht die Bühne. Auf dem Boden ist eine weiße Linie wie eine Umlaufbahn um den Koloss aufgemalt. Wortlos umkreist Anita die Kugel im ersten Bild - die Welt ist am Anfang für sie noch rund.
Im Laufe des Abends wird ihr Weltbild so manchen Knacks und die Haut der anfangs so unkaputtbar anmutenden Kugel einen klaffenden Riss bekommen (Bühne: Ines Alda). In schneller Szenenfolge zeichnet Pfaff seine Charaktere mit breitem Pinselstrich. Lautstark werden hier persönliche Befindlichkeiten verhandelt. Allerhand Klischees kommen hier zusammen, die sich unter der Lupe des schonungslos puren Spiels verstärken.
Anhaltender Applaus
Anfangs noch in der distanzierten Haltung der pensionierten Grundschullehrerin gefangen, erlaubt Ingeborg Losch ihrer Anita im Umgang mit Hudi zunehmend weiche Züge. Der gelernte Konditor ist eigentlich ein netter Kerl. In seiner wirtschaftlichen Notlage steht er exemplarisch für jene, die durch die Maschen des Systems fallen und kriminell werden. Simon Keel pumpt ihn hoch zur menschlichen Zeitbombe: fahrig, zappelig und ständig unter Druck. Vom Premierenpublikum in Rendsburg gab es am Ende anhaltenden Applaus.