Zaun versperrte bis Donnerstag Zugang zum jüdischen Friedhof in Westerrönfeld

Denn: De facto war zeitweise kein Zugang zu einem der bedeutendsten jüdischen Friedhöfe Norddeutschlands möglich. Warum der Mann den Zaun gesetzt hat, ist unklar. Anwohner vermuten, dass es darum gehe, den Bewohnern angrenzender Häuser die rückseitige Zufahrt zu ihren Grundstücken zu versperren. Bereits zuvor hatte der Eigentümer dort massive Betonsperren gesetzt. „Uns sind die Hände gebunden“, sagt Hans-Otto Schülldorf, Bürgermeister der Gemeinde Westerrönfeld. Seit vielen Jahren kümmern sich die Gemeindearbeiter um die Pflege des Friedhofs, seit September kommen auch sie nicht mehr auf das Gelände. Es sei schwierig, mit dem Grundstückseigentümer zu sprechen. Er sei von diesem schon übel beschimpft worden, sagt Schülldorf. Im Moment sei er für offizielle Anfragen auch nicht zu erreichen, so der Bürgermeister. Um die Sache mit dem Zaun zu klären, hat die Gemeinde jetzt ein Vermessungsbüro beauftragt. Dieses soll feststellen, ob der Zaun tatsächlich auf der Grundstücksgrenze sitzt. Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein bemüht sich um gesamtes Wegerecht: 2012 hatte die jüdische Gemeinde Hamburg das jetzt eingezäunte Grundstück, die schmale Lindenallee „Am Judenfriedhof“, die direkt auf den Eingang des jüdischen Friedhofs zuführt, an einen Privatmann verkauft und sich das Wegerecht gesichert. Nach einem Wechsel in den Zuständigkeiten ist dieses an die jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein übergegangen. Dort werde aktuell versucht, das Wegerecht für das gesamte Areal juristisch wasserdicht eintragen zu lassen und durchzusetzen. „Wir möchten, dass alle Betroffenen, die Anlieger, die Besucher des Friedhofs und die Gemeinde zu ihrem Recht kommen und ein freier Zugang wieder möglich ist“, sagt Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. Peter Harry Carstensen, Landesbeauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein, zeigt sich angesichts der Situation in Westerrönfeld fassungslos. Der ehemalige Ministerpräsident hat sich in den vergangenen Tagen vor Ort ein Bild gemacht und spricht sich mit Blick auf den Zaun für eine dauerhafte und vernünftige Lösung aus. Dies gestalte sich jedoch schwierig, da der Eigentümer aktuell auch für ihn nicht zu erreichen sei. Carstensen: "In höchstem Maße unanständig": Unter anderem aus Dänemark besuchen viele jüdische Familien regelmäßig den Friedhof in Westerrönfeld, um dort ihrer Angehörigen zu gedenken. Für die Juden habe ein Friedhof mit seinem „Ewigkeitscharakter“ einen viel höheren Stellenwert, als zum Beispiel in anderen Kulturkreisen, unterstreicht Carstensen. „Und das muss man respektieren.“ Sollte der Zaun absichtlich gesetzt worden sein, um den Zugang zum Friedhof zu erschweren, sei dies ein „antisemitischer Akt“, bekräftigt der Landesbeauftragte. Ob die Errichtung des Zauns gegen geltendes Recht verstößt, könne er nicht einschätzen. Moralisch sei der Zaun aber „in höchstem Maße unanständig“, so Carstensen. „Leider gibt es Gründe, dass jüdische Friedhöfe ein verschlossenes Eingangstor haben müssen. Nicht akzeptabel ist es aber, wenn eine Privatperson einen Zaun setzt, der sogar den Zugang zu diesem Tor versperrt.“ Einen neuen Zugang zum Friedhof zu bauen, ist nicht möglich, da neben den etwa 60 erhaltenen Gräbern unzählige weitere in der Erde vermutet werden. Zumindest vorerst hat sich das Problem erledigt. Nach Informationen von KN-online wurde der Zaun am Donnerstagabend unter dem Applaus der Anwohner größtenteils demontiert.