Amtsgericht Norderstedt urteilt über 72-jährigen Seriendieb

"Schicken Sie mich nicht ins Gefängnis, ich werde nichts mehr machen, das verspreche ich", sagte der 72-Jährige mit zittriger Stimme in Richtung von Amtsrichterin Christine Schmidt. Doch die drückte kein Auge mehr zu und verurteilte den in Hamburg lebenden Senior zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. "Von mir gibt es keine Bewährung. Sie können es einfach nicht lassen, und ich gehe nicht davon aus, dass Sie sich ändern", sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Zudem sei umfangreiches Diebesgut bis heute verschwunden. Zwei Taten in Norderstedt und Hamburg wurden verhandelt: Oberamtsanwalt Kai Neuber als Vertreter der Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, im September 2017 zweimal in ein unbewohntes Haus in der Segeberger Chaussee in Norderstedt eingebrochen zu sein und dabei eine Beute von rund 15.000 Euro gemacht zu haben. Geklaut wurden dort unter anderem Armband- und Taschenuhren, Münzen sowie Teile einer Eisenbahn- und einer Modellautosammlung. Gleich mit verhandelt wurde zudem ein Fall aus dem August 2019 in Hamburg, wo der Angeklagte aus einem Haus Uhren und Schmuck im Wert von 400 Euro entwendet haben soll. Diese Tat gab er zu, denn es blieb ihm auch nichts Anderes übrig, da er dabei von der Polizei geschnappt worden war. In Norderstedt will er hingegen zweimal in dem betreffenden Haus gewesen sein, als er jeweils auf dem Weg zu seinem Enkel war. "Da war die Terrassentür kaputt, und ich war neugierig". Er habe sich dort dann umgesehen, "aber mitgenommen habe ich nichts". Zurückgelassen hatte er jedoch eine Taschenlampe, mit seinen Fingerabdrücken darauf. So kam die Kriminalpolizei auf ihn. Uhrensammlung mit 60 Exemplaren verschwunden: Der geschädigte Hausbesitzer, der längere Zeit ortsabwesend war, sagte als Zeuge, dass seine gesamte Uhrensammlung, rund 60 Exemplare, weg sei. Dazu noch Münzen, von ihm selbstgebaute Lokomotiven, aber auch fast 100 Wagons. "Leider war ich nicht versichert, weil mir die Auflagen dafür zu hoch und zu teuer waren." Der Angeklagte sprach in seiner Aussage von dauernden Alltagsschwierigkeiten und der Sorge um seine Frau, die nicht mehr lange zu leben habe. Deshalb stehe er unter einer ständigen Anspannung, sei ruhelos. Außerdem versage seit kurzem sein Kurzzeitgedächtnis. "Ich vergesse alles sehr schnell." Seine Spielsucht habe er aber im Griff. "Ich stecke kein Geld mehr in Daddelautomaten." Ein vom Gericht hinzugezogener Sachverständiger konnte beim 72-Jährigen aber keine Anzeichen von Demenz feststellen. Auch könne er von keiner Kleptomanie ausgehen. "Ich sehe auch keine Einschränkungen der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten", fuhr der Sachverständige fort: "Er war sich durchaus bewusst, dass sein Verhalten strafrechtlich verfolgt wird." Staatsanwaltschaft fordert eineinhalb Jahre Gefängnis: Neun Verurteilungen wegen Diebstahl hatte der Angeklagte vor dem jüngsten Prozess bereits auf dem Kerbholz. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte keine Zweifel daran, dass der Rentner auch in Norderstedt der Täter war und forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. "Die Bewährungsstrafe zuvor war keine Warnung für Sie. Sie sind einschlägig vorbestraft, werden seit zwölf Jahren immer wieder straffällig, sodass dieses Mal nur eine Freiheitsstrafe in Betracht kommt." Verteidiger Dr. Andreas Mosenheuer bezeichnete seinen Mandanten als jemanden, der Hilfe brauche. "Wir haben hier einen verzweifelten Menschen", bei dem ein Mangel an Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen sei. Die Tat in Hamburg habe der Angeklagte eingeräumt. Dass er auch in Norderstedt zugeschlagen habe, sei nicht zu beweisen. Womöglich hätten noch andere Leute unerlaubt das Haus betreten. "Denn die Beute dort kann man nicht einfach wegschaffen, wenn man wie mein Mandant nicht motorisiert ist." Amtsrichterin schickt den Angeklagten für zwei Jahre ins Gefängnis: Mosenheuer plädierte auf eine Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro. Doch Amtsrichterin Schmidt folgte dem nicht und verhängte eine zweijährige Freiheitsstrafe. "Ich sehe bei Ihnen beim besten Willen keine günstige Sozialprognose", sagte sie zum 72-jährigen Angeklagten.