Bad Bramstedt: Aus Omas Schallplatten werden "Retrogeren"

„Perlen der Operette“ oder „Marschmusik aus Österreich“ auf Langspielplatte – hitverdächtig ist das heute nicht mehr. Aber Müllvermeidung ist das Gebot der Stunde und so entwickelten die Schülerinnen und ein Schüler des WiPo-Kurses die Idee, daraus Etageren und Obstschalen herzustellen. Sie gründeten eine Aktiengesellschaft und wollen die Recyclingprodukte nun verkaufen. Das Ganze hat natürlich einen pädagogischen Hintergrund. Die jungen Leute sollen das Wirtschaftsleben kennenlernen, weshalb das halbjährige Projekt auch von IW Junior, eine Tochter des Instituts der Deutschen Wirtschaft, unterstützt wird. IW Junior gibt die Spielregeln vor, nach denen die Schüler eine Firma gründen sollen, und die sind nahe an der Realität. Eine Aktiengesellschaft wurde gebildet, mit dem Namen RE-TRO 76. „Wir wollen damit deutlich machen, dass unsere Produkte aus recyceltem Material bestehen“, sagt Vorstand Maya Schweder. Die Zahl sei einfach der Bad Bramstedter Postleitzahl entnommen worden: 24576. Kreativität war gefragt: Bei der Produktwahl war Kreativität gefragt. Die Ware musste sich in der Schule herstellen lassen, und die Schülerinnen – nur ein Junge gehört dem Kursus Wirtschaft und Politik (WiPo) an – legten Wert auf Nachhaltigkeit. Was dabei herauskam ist tatsächlich verwendbar: „Trendkassetter“ nennt sich ein Artikel, ein Portemonnaie, das aus einer Musikkassette hergestellt wird. „Wir haben die Kassette halbiert“, berichteten die Schülerinnen. Andere haben an der Nähmaschine das Innere hergestellt, mit Fächern für Scheine, Kleingeld und Bankkarte. Anfangs habe jeder die „Trendkassetter“ komplett fertiggestellt. Das habe sich aber als wenig effektiv erwiesen. Jetzt näht eine Schülerin nur Reißverschlüsse, die andere die Fächer, eine dritte klebt die Kassettenhälften auf – Arbeitsteilung in einer Aktiengesellschaft eben. Obstschale aus Schallplatten: Oder die Etagere namens Retrogere. Alte Schallplatten, LPs ebenso wie Singles, werden auf eine Glasschale gelegt, das Ganze dann in den Ofen geschoben und solange erwärmt, bis das Vinyl weich wird. Dann können die alten Tonträger leicht mit dem Finger um die Schale gebogen werden. „Die Metallstangen für die Retrogere haben wir dann im Internet gekauft“, erzählt Mareike Lange. Oder die LPs werden mit gleicher Technik einfach zu Schalen, sogenannten Soundbowls, geformt – fertig ist die neue Obstschale für den Wohnzimmerschrank. Die ausrangierten Platten bekommt die RE-TRO 76 geschenkt. „Ich hab’ ganz viele von meiner Oma bekommen“, so Lehrerin Wencke Siemßen. Sie ist ganz begeistert vom Engagement ihrer Schülerinnen. „Sie haben sich sogar in den Herbstferien für das Projekt getroffen“, erzählt die WiPo-Kursus-Leiterin. 25 Cent Stundenlohn: Die „Arbeiterinnen“ bekommen 25 Cent pro Stunde. Um das auszuzahlen, muss eine Aktiengesellschaft natürlich auch eine kaufmännische Abteilung haben. Die muss sogar Steuern abführen, so wie es die IW Junior vorschreibt. Und dann gibt es noch die Marketingabteilung, die durchaus erfolgreich arbeitet, wie dieser Zeitungsartikel beweist. Sie musste auch die Aktionäre finden. 90 Aktien werden ausgegeben zu jeweils 10 Euro. Bisher haben allerdings erst 60 Interessierte Anteilsscheine gezeichnet. Zweimal soll sogar eine Dividende ausgeschüttet werden, ehe die AG im Mai 2020 wieder aufgelöst wird. Verkauf auf Märkten in Bad Bramstedt: Aber woher kommen die Einnahmen? Die Produkte kosten zwischen 9 und 15 Euro. „Wir wollen die Artikel auf dem Nachhaltigkeitsbasar der JFS am Donnerstag, 28. November, anbieten und auch auf dem Bad Bramstedter Weihnachtsmarkt“, berichtet Jealyn Bartsch, Leiterin des Marketingteams. Etwas retro vielleicht, oder? „Nein“, widerspricht Vorstand Finja Marré und zeigt auf dem Laptop-Bildschirm. Dort entsteht gerade der Online-Shop der Firma. Hier lesen sie weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg.

Bad Bramstedt - Omas Schallplatten werden zu Obstschalen