Grünbrücke über A7 noch Stückwerk

Die Wildtiere müssen die Fahrbahn der B206 queren, wenn sie von einem Lebensraum wie dem Segeberger Forst und anderen Waldgebieten etwa zum Duvenstedter Brook in Hamburg wechseln wollen oder umgekehrt. Die Unfallgefahr für Tier und Mensch wächst. Der Bund hat zwar eine moderne Wildwechselwarnanlage an der B206 östlich der A7 im Bereich des Forstes geplant, damit die Tiere lebend zur A7-Grünbrücke kommen. Aber gebaut ist sie noch nicht. Eine Projektidee für ein modernes System ist gerade erst geplatzt. Außerdem scheinen die hohen Kosten offenbar eine Rolle zu spielen. Ein Unfallschwerpunkt für Wild: „Das ist einer der Unfallschwerpunkte des Landes mit Wildunfällen“, sagt Björn Schulz von der Stiftung Naturschutz. Sie ist vom Land beauftragt, das gesetzlich vorgeschriebene Wildtiermonitoring an Grünbrücken und Wildunterführungen zu betreiben. Die A7-Grünbrücke ist seit Frühjahr 2019 offiziell in Betrieb. Auch ohne sie hatte es von 2016 bis Ende Mai dieses Jahres schon 30 Wildunfälle östlich der A7 gegeben, 28 Wildunfälle westlich der A7, sagt Sandra Firsching, Pressesprecherin der Polizeidirektion Bad Segeberg. Zulauf der Tiere wird stärker: Es sind aber noch weit mehr Unfälle, weil nicht alle der Polizei gemeldet worden sind, sagt Schulz. Die Tiere würden die Grünbrücke über die A7 vermehrt nutzen. „Die B206 wird immer verstärkter von Tieren gequert werden“, ist er überzeugt. Viele Naturschutzmaßnahmen, auch dank Bundesförderung, seien im Umfeld schon geleistet worden. „Insofern ist es bedauerlich, dass noch keine Wildwechselwarnanlage errichtet wurde.“ Zumal die Gespräche dazu schon seit 2014 laufen würden. Auch Bund ist besorgt: Auch der Bund rechnet wegen der neu errichteten Grünbrücke langfristig mit einer Zunahme an Wildwechseln an der B206. Das sagt Christian Merl, Pressesprecher der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH. Die Deges ist eine Bund-Länder-Gesellschaft. Sie plant nicht nur den Ausbau der A7, sondern auch den noch nicht erfolgten Weiterbau der A20. Lesen Sie auch: Wer Wildbrücken besonders häufig nutzt Lesen Sie auch: Frösche und Haselmäuse über A20 locken Lesen Sie auch: A20-Wildbrücke lenkt Tiere auf Straße Beide Autobahnen sollen sich nahe Bad Bramstedt einige hundert Meter südlich der Grünbrücke und der B206 kreuzen. A7-Grünbrücke ist Teil der A20-Planung: „Die Grünbrücke über die A7 ist Bestandteil der Planung der A20 und wurde als vorgezogene Maßnahme errichtet“, sagt Deges-Sprecher Merl. Die Grünbrücke dort und weitere auch bei der künftigen A20 sollen weiträumige Biotopverbundsysteme für Wild vernetzen. Das, so Fachleute, soll einer genetischen Verarmung des Wildes durch Inzucht begegnen. Eile für eine Wildwechselwarnanlage an der B206 sieht Merl nicht geboten. Die Grünbrücke sei erst dann vollständig funktionsfähig, wenn auch die Leit- und Begleitpflanzungen errichtet und die Biotope entwickelt seien. „Insofern ist eine zeitgleiche Umsetzung der Wildwechselwarnanlage nicht erforderlich.“ Reflektoren irritieren Fahrer, nicht Tiere: Geplant sind nicht einfache Warnschilder für Autofahrer auf der B206, und auch keine blauen Reflektoren an den Leitpfosten. Diese werfen das Scheinwerferlicht der Autos in Richtung der wechselwilligen Tiere. Versuche rund um die B206 hatten zwar gezeigt, dass die Unfallzahl sinkt. Doch das Wild lässt sich offenbar nicht ausreichend von den Reflektionen beeindrucken, hatte die Bundesanstalt für Straßenwesen 2017 festgestellt. „Mit Wildwarnreflektoren können keine ausreichenden optischen Reize für Wildtiere generiert werden, die eine Verhaltensänderung der Tiere zuverlässig induzieren könnte“, hieß es. „Es ist aber nicht auszuschließen, dass retroreflektierende Wildwarnreflektoren einen Hinweisreiz für Kraftfahrer darstellen.“ Mit anderen Worten: Aufgeschreckt wird nicht das Damwild, sondern der Autofahrer, der dann vorsichtiger fährt. Es gibt eine Alternative, die aber teuer ist: Alternative wären moderne elektronische Sensorik-Anlagen. Zu deren Erfolg wünschte sich die Bundesanstalt aber noch weitere Untersuchungen. Diese Anlagen erfassen die Tiere, und lösen große Tafeln mit Verkehrszeichen für „Wildwechsel“ und Tempolimit aus, an das sich Autofahrer zu halten haben. Ein System steht in Schleswig-Holstein seit 2011 an der B202 bei Preetz am Rastorfer Kreuz. Es arbeitet mit Passiv-Infrarot-Sensoren (FLIR ThermiCam Wärmebildkameras) an zwei Durchlassstellen im Zaun und erfasst die Tiere. Meist ist es Damwild. Dann müssen die Fahrer von Tempo 100 auf Tempo 70 reduzieren. In der Folge war die Wildunfallzahl um 90 Prozent gesunken, berichtet der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. "Hirschradare" haben technische Tücken: Das System des „Hirschradars“ hatte der Bund mit 800.000 Euro finanziert. Das scheint, so ist von Branchenkennern zu hören, dem Bund für die B206 wohl zu teuer. Deshalb werde nach anderen Lösungen gesucht. Lesen Sie auch: Grünbrücken sollen Autobahnen überwinden Lesen Sie auch: 220.000 Euro für Wildtier-Monitoring Lesen Sie auch: Polizei fasst drei junge Intensivtäter Die österreichische Startup-Firma Animot hatte eine neue Idee entwickelt, und wollte sie auch für die B206 passend machen. Auch hier sollten Sensoren Warnzeichen auslösen, allerdings in kleinerem Rahmen. So würden keine großen elektronischen Verkehrszeichen die Autofahrer warnen, sondern nur kleine Blinker, die an den Leitpfosten montiert sind. Animot hat dann aber überraschend das Angebot zurückgezogen. In Bayern läuft allerdings noch ein dreijähriges Animot-Versuchsprojekt. Deges will neu ausschreiben: Geschäftsführerin Sabine Dahl räumt technische Probleme ein: „Wir sind noch nicht so weit.“ Wildwechsel und Autoverkehr seien ein vielschichtiges Feld. Sensoren müssten per Ultraschall und Lasertechnik die Tiere zu jeder Zeit erfassen, etwa über Körpertemperatur eine Tieres oder die Oberfläche des Fells oder Bewegungsabläufe. Hinzu kämen Einflüsse wie Regen, Wärme, Kälte und Landschaft. Die Deges will nicht aufgeben, ist nun systemoffen. „Es ist geplant, die produktneutrale Ausschreibung noch im zweiten Halbjahr zu starten“, sagt Deges-Sprecher Merl. „Mit dem ehrgeizigen Ziel, mit der Umsetzung noch in 2020 zu beginnen.“ : Weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier. Kreis ordnet hilfsweise Tempo 70 an: Als Zwischenlösung, bis eine moderne Wildwechselanlage installiert ist, soll die Verkehrssicherheit auf der B206 nahe der Grünbrücke über die A7 bei Bad Bramstedt anderweitig erhöht werden. Die Verkehrsaufsicht des Kreises Segeberg hat am 16. Juni eine verkehrsrechtliche Anordnung über 70 Stundenkilometer für diesen Bereich verfügt, teilte Sprecherin Sabrina Müller mit. Bislang gilt in dem Waldstück nahe der Anschlussstelle die für eine Bundesstraße übliche Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. „Die Aufstellung der Verkehrszeichen dauert in der Regel vier bis sechs Wochen.“ Müller rechnet damit, dass sie bis spätestens Ende Juli aufgestellt sein werden. Zuständig für die Arbeit sei der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr/Niederlassung Itzehoe.

Bei Bad Bramstedt - Grünbrücke über A7 noch Stückwerk