Carola Vertein aus Hasenmoor fertig in fünfter Generation Schirme an

Die Bilder wiederholen sich: Nachdem es geregnet hat, sieht man in Mülltonnen umgeklappte, kaputte Regenschirme, die in der Drogerie oder dem Kaufhaus meist nur wenige Euro gekostet und eine entsprechende Qualität haben. Anders die Schirme, die Carola Vertein in ihrer Werkstatt mit Lager in Hasenmoor herstellt. "Meine Schirme halten 15 Jahre", sagt die 53-Jährige selbstbewusst. In der Hamburger Innenstadt führt sie bereits in der fünften Generation ein Fachgeschäft für Regenschirme, die sechste Generation ist mit ihrer Tochter am Start. Alles begann 1876 in Hamburg mit dem Geschäft Schirm Eggers an der Steinstraße. Früher war der Schirm ein Treff für Verliebte: "Früher hat man sich unter dem Schirm verliebt", erzählt Carola Vertein. Junge Männer mit Regenschirm hatten bei Schlechtwetter in Hauseingängen auf ihren Schatz gewartet, um dann plötzlich an ihrer Seite zu stehen und sie nach Hause oder zur Arbeit zu geleiten. "Aber vielleicht war das ab und an einfach nur ein toller Schirm und nicht unbedingt ein toller Mann", sagt Vertein und muss lachen. Sie ist Einzelhandelskauffrau mit dem Fachgebiet Schirme und Stöcke. "Mir wurde das Handwerk schon in die Wiege gelegt", berichtet Vertein. Sie habe in jungen Jahren gerne in die Landwirtschaft gehen wollen, aber dafür sei sie ja immerhin vor einigen Jahren nach Hasenmoor gezogen und lebe dort das Landleben aus. Wenn kein Lockdown wegen der Corona-Pandemie verordnet ist, ist sie jeden Tag im Geschäft an der Rosenstraße 6 in Hamburg anzutreffen. Jetzt sind allerdings "die Schotten wieder dicht", bedauert die Geschäftsfrau. Sie musste ihr Fachgeschäft schließen. Und das, wo doch gerade im Herbst und Winter die Zeit der Regenschirme sei. "Jetzt regnet es und ich habe den Laden zu." Die Zeit der Regenschirmmacher ist vorbei: 2003 hatte sie das Fachgeschäft und die Werkstatt übernommen, aber so etwas wie derzeit habe sie noch nie erlebt. "Ich bin froh, dass mein Vater das nicht mehr miterleben muss", sagt Carola Vertein. Selbst zu Kriegszeiten sei das Geschäft nicht dicht gemacht worden. "Ich hatte beim G20-Gipfel in Hamburg geschlossen, sonst war aber immer auf, sogar im Krieg", berichtet sie. Die jetzige Situation mache ihr große Sorgen. "Es fehlt die Perspektive", gibt sie offen zu. 1970 hätten in Deutschland noch gut 40.000 Menschen in der Regenschirmproduktion ihr Geld verdient, von der Weberei bis hin zum Gestellmacher. Das sei heute ganz anders. Die Gestelle beispielsweise bezieht Carloa Vertein aus Italien. "Der Regenschirm ist vielen Menschen nicht mehr wichtig", bedauert sie. Er werde erst benötigt, wenn es anfange zu tröpfeln. Und dann würden viele Menschen zu einem billigen Exemplar greifen. Im Geschäft in Hamburg gibt es 3.000 Exemplare: Bei Schirm & Co in Hamburg gibt es eine enorme Auswahl von 3000 Stück in unzähligen Formen und Farben. Der Schirm, das betont Carola Vertein, müsse zum Besitzer passen. Die Länge des Stockes, die Form des Schirmes, der Stoff – das Gesamtbild müsse stimmen. Im Laufe der Jahrzehnte habe sie einen ganz guten Blick dafür bekommen. "Der Kunde kommt rein und ich weiß meistens gleich, welcher Schirm passt", sagt Carola Vertein. 80 Prozent ihrer Regenschirme sind zugekauft, der Rest ist eigene Anfertigung. In Hasenmoor hat sie ihr Lager mit unzähligen Ersatzteilen, Stoffbahnen, Nähmaschine und bereits fertigen Schirmen. Woran man einen wirklich guten Regenschirm erkennt? Carola Verteins Tipp: Ihn aufspannen und mit den Fingern wie Regentropfen auf den Schirm klopfen. Daran höre man, wie gut Stoff und Spannung sei. Es müsse sich wohlig anhören, man müsse sich gut beschützt und begleitet fühlen. Der Stoff sei je nach Wunsch aus Polyester mit UV-Schutz oder auch aus Baumwolle mit besonders Regen undurchlässiger Beschichtung. Wer die Technik beherrsche, für den sei die Herstellung eines Regenschirmes ein Leichtes. "Ich habe Lust, Kurse dazu zu geben", sagt die Hasenmoorerin. Auch hätte sie gerne ihre Scheune umgebaut. Allerdings sei die Aussicht schlecht, dafür eine Genehmigung zu bekommen. Carola Vertein repariert auch defekte Schirme: Neben dem Verkauf von Neuware reparieren Vertein und ihr Team auch defekte Qualitätsschirme. Vor kurzem habe eine Kundin ihr ein Exemplar noch aus der Zeit der englischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschickt. Das historische Teil, an dessen Herz der Besitzer doch sehr hänge, entpuppte sich aber als komplett hin - ein Totalschaden. "Da kann ich wirklich auch nichts mehr machen", bedauert Carola Vertein. Manche Schirme seien einfach nicht zu retten.