Ehemaliger Karl-May-Chef Ernst Reher wird 90 Jahre alt

Vital, mit wachen Augen, vielen Ideen im Kopf und voller Tatendrang tritt er seinen Besuchern entgegen. Bevor er Stellung bezieht, hört er aufmerksam zu – so, wie es sich der pensionierte Oberamtsrat während seiner 47-jährigen Berufstätigkeit in der Stadtverwaltung unter sechs Bürgermeistern angewöhnt hat. Schon in der Schule fiel sein Faible für Zahlen auf: Geboren wurde Ernst Reher in Krems I. Sein Lehrer in der Volksschule Leezen empfahl ihm, sich bei der Stadtverwaltung in Bad Segeberg zu bewerben. Dem Pädagogen waren die schnelle Auffassungsgabe sowie das Interesse an Zahlen und deren Zusammenhängen aufgefallen. Es klappte – und der junge Ernst betrat am 1. April 1944 als Lehrling das Rathaus. Er würde es erst ein halbes Menschenleben später am 1. Dezember 1991 als Büroleitender Beamter wieder verlassen. Der damalige Büroleiter Hermann Reher bildete ihn aus. Mit diesem Namensvetter verbrannte Ernst Reher kurz vor dem Einmarsch der Briten im Heizungskessel des Rathauskellers belastende und personenbezogene Akten aus der Zeit der Nationalsozialisten. Alle Abteilungen des Rathauses durchlaufen: Die Verwaltungslehre und den Berufsschulunterricht in Bad Segeberg schloss der junge Mann im April 1947 ab. Er hatte das Glück, als Verwaltungsangestellter übernommen zu werden und durchlief alle Abteilungen in der Stadtverwaltung. In Bürgermeister Walter Kasch fand Ernst Reher einen Förderer, der ihn zu Lehrgängen an die Verwaltungsschule nach Bordesholm schickte. Reher stieg erst in den Mittleren und dann in den gehobenen Dienst auf. 1953 heiratete er seine Lydia. Das Paar bekam Tochter Marion, die heute Flatt mit Nachnamen heißt. 1958 wurde Ernst Reher zum Beamten auf Lebenszeit berufen. Er übernahm als Abteilungsleiter zunächst das Sozialamt und ab 1959 das Rechnungsamt der Stadt. Die Krönung seiner Laufbahn war 1976 seine Ernennung zum Büroleitenden Beamten. Damit verbunden waren die Leitung der Hauptverwaltung und die Vertretung des Bürgermeisters in der Behörde. Weil ihn Zahlen so faszinierten, blieb die Kämmerei sein Revier. Kommissarisch leitete Reher die Stadtwerke: 1967 trennte sich die Stadt kurzfristig vom neuen Leiter der Stadtwerke. Ein Nachfolger war nicht ich Sicht. Kurzentschlossen machte Bürgermeister Kasch Ernst Reher zum Chef. Als ein Jahr später der Ingenieur Fritz Röhrs als Erster Werkleiter eingestellt wurde, blieb Reher als Zweiter Werkleiter für den kaufmännischen Bereich an Bord – bis zum Verkauf der Stadtwerke im Jahr 1982. In jenem Jahr fand Bürgermeister Uwe Menke für Ernst Reher ganz schnell eine neue „Nebentätigkeit“: Am 17. Februar 1982 wurde Reher zum Geschäftsführer der Karl-May-Spiele. Sie waren 1980 aus der Zuständigkeit der Stadtverwaltung herausgelöst und in die Kalkberg GmbH ausgelagert worden, die zu 76 Prozent der Stadt gehört. Doch die wirtschaftliche Situation der Spiele war noch immer schlecht – und blieb es zunächst auch. In der gesamten Saison 1982 kamen gerade mal 45 000 Zuschauer. Die Karl-May-Spiele standen vor dem Aus. Karl-May-Spiele standen 1982 vor dem Ende: In dieser prekären Situation holte Ernst Reher den Journalisten Wolfgang Spahr und dessen Zeitpunkte-Verlag für die Werbung ins Boot – und Intendant Klaus-Hagen Latwesen sollte alle Register seiner Kunst ziehen. Es klappte: Im Jahr 1983 strömten gut 131000 Fans an den Kalkberg. Die Spiele waren über den (Kalk-)Berg. Zur Saison 1988 wurde unter Ernst Rehers Geschäftsführung der Leinwand-Winnetou Pierre Brice nach Bad Segeberg geholt. Mit ihm gelang es 1991 zum ersten Mal, bei der Zuschauerzahl die 300 000-Marke zu durchbrechen. Das Sheriff-Outfit war seine Dienstkleidung: 1991 ließ sich Ernst Reher mit 62 Jahren als Oberamtsrat in den Ruhestand versetzen – aber am Kalkberg blieb er aktiv. Sein Markenzeichen war das Sheriffkostüm, das er im „Dienst“ grundsätzlich trug und das er noch heute für die jeweilige Premiere aus dem Schrank holt. Im Sommer 1999 zog sich Ernst Reher, inzwischen fast 70 Jahre alt, als Geschäftsführer zurück; aber auf den letzten Metern wartete noch eine gewaltige Herausforderung auf ihn. Wenige Tage nach der Premiere brannte an einem Dienstag um 18 Uhr der gerade erst neu gebaute Kunstfelsen ab. Pierre Brice, der als Regisseur engagiert war, musste das Stück innerhalb von 44 Stunden neu inszenieren – und unter Mithilfe der Bundeswehr wurde ein provisorisches Bühnenbild gebaut. Das Stück startete am Donnerstag nur wenige Minuten nach 15 Uhr. Pierre Brice bot ihm das "Du" an: Bei seiner Verabschiedung ritt er zunächst in die Arena ein – und dann trat Pierre Brice neben ihn und bot ihm das „Du“ an: „Isch ’eiße Pjäär – darf isch Ernst sagän?“ Zum Zeichen der Freundschaft schenkte der berühmte Franzose dem verblüfften Reher auch noch sein Klappmesser. Fortan hatte Ernst Reher jede Menge Freizeit – was auch Ehefrau Lydia genoss. Auch Tochter und Enkelin freuten sich, dass der Pensionär sich nun stärker der Familie widmen konnte. Doch dann erkrankte seine Lydia schwer. Aufopfernd pflegte Ernst Reher sie zu Hause am Kreutzkamp bis zu ihrem Tod im Jahre 2011. Seit Jahrzehnten in der Schützengilde: Heute arbeitet Reher gern in seinem Garten. Aber auch seine Mitgliedschaft im Kegelklub und in der Schützengilde ließ er wieder aufleben. In die Gilde war Reher 1973 eingetreten. Die Schützen hatten ihn, bei dem die Zahlen leben und keine toten Ziffern sind, gleich zwei Jahre später zum Schatzmeister gemacht und ihm dieses Amt 15 Jahre lang anvertraut. Als Verwaltungsfachmann arbeitete er auch eine zeitgemäße Satzung aus. Für seinen Einsatz verlieh ihm die Gilde schon 1983 das Verdienstkreuz. Einmal pro Woche geht er ins Gildeheim – aber nicht zum Schießen, sondern als „Skatschütze“. Diesem Spiel frönt er nicht nur hier, sondern auch in einem weiteren Skatclub. Der passionierte Autofahrer unternimmt auch nach wie vor gern Reisen. Ernst Reher lässt sein typisch verschmitztes Lächeln aufblitzen: „Ich muss immer etwas zu tun haben.“ Alles über die Karl-May-Spiele lesen Sie hier. Weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier.

Ernst Reher kann feiern - Ehemaliger Karl-May-Chef wird 90