Historischer Rückblick: Kiel-Altonaer Chaussee hat Bad Bramstedt verändert

Es war die Zeit des Nationalsozialismus, regiert wurde per Anweisung. Nur so ist es wohl auch erklärlich, wie eine solche Straße mitten durch die Stadt gebaut werden konnte. Bis in die Dreißigerjahre führte die Reichsstraße 4 über die heute noch gut erhaltene und unter Denkmalschutz stehende Altonaer Straße zum Bleeck. An der Maria-Magdalenen-Kirche knickte sie ab und führte durch den Landweg und die Kieler Straße hinauf, die noch immer von vielen Bad Bramstedtern als „alter Kieler Berg“ bezeichnet wird. Dieser barg für den aufkommenden Autoverkehr offenbar große Gefahr. "Immer wieder gab es Unfälle an der Kreuzung Landweg/Kieler Berg – wozu vielfach umgestürzte Lastwagen zählten. Manchmal zur Freude der Anlieger, für die es 'Strandgut' gab", schreibt Schadendorf in seinem Aufsatz, den er auch im Heimatkundlichen Jahrbuch des Heimatbundes veröffentlichen will. Die Jahreszahl ist noch heute zu lesen: Die Altonaer Straße war erst 1926 mit neuem Basaltpflaster versehen worden, die Jahreszahl ist noch heute farblich abgesetzt im Pflaster zu lesen. Doch auch sie war zu schmal für den wachsenden Straßenverkehr, sodass an eine parallele Straßenführung, die heutige Hamburger Straße, gedacht wurde. "Militärische Erwägungen spielten wohl eine nicht unmaßgebliche aber bislang nicht recherchierte Rolle", vermutet Schadendorf als einen der Gründe die Reichsstraße innerhalb der Stadt zu verbreitern und zu begradigen. 1938 begannen die Arbeiten im Süden bei der Autowerkstatt Weller. Dort steht heute der Aldi-Markt. Der Besitzer einer Villa, die im Weg stand, erhielt die Aufforderung sein Haus "bis zum Frühjahr 1938 zu räumen", schrieben die Bramstedter Nachrichten im September 1937. Eine Lorenbahn fuhr mitten durch die Stadt: Um die Hudau zu überqueren, musste eine neue Brücke gebaut werden, die Christianbrücke, ein Betonbauwerk. Zeitgleich wurde auch im Norden mit dem Straßenbau begonnen, am heutigen Berliner Platz. Dort laufen jetzt der alte Kieler Berg und der Liethberg zusammen. Erhebliche Sandmassen mussten abgetragen werden, um den Liethhang so einzuebnen, dass die Steigung für die damals noch schwachbrüstigen Kraftfahrzeuge zu bewältigen waren. Wie viel Erde bewegt wurde, ist noch heute vor allem auf der Westseite an dem steilen Hang zu erkennen. Bevor der Liethberg gebaut wurde, gab es im unteren Teil nur einen schmalen Fußweg. Und darüber, zwischen Rosenstraße und "Unter der Lieth", gab es die Straße "Zum Liethberg", wie eine Karte aus den 1930er Jahren zeigt, die Schadendorf in seinem Archiv hat. Es wurde eine Feldbahn angelegt, die den Sand mit Loren mitten durch die Stadt in die Hudauniederung brachte. Dort konnten sie gut für den Straßen- und Brückenbau verwendet werden. Schon Ende Juli 1938 vermeldeten die Bramstedter Nachrichten: "Der Bau der Brücke über die Hudau nähert sich dem Ende." Die Loren rollten täglich durch die Stadt und schafften so viel Boden in die Hudau-Niederung, dass das bisher sumpfige Gebiet nördlich der Hudau sogar zu Bauland aufgeschüttet wurde, wie Schadendorf herausfand. Dann ging es an die Pflasterarbeiten. Große Mengen Granitsteine wurden mit der AKN-Bahn angeliefert, sie wurden auf dem Bleeck vor dem Schloss gelagert. Selbst der traditionelle Tanz um den Roland nach Pfingsten war 1939 nur mit Hindernissen möglich. Stadtbild in kurzer Zeit verändert: Und es begannen weitere Hausabbrüche, die das Stadtbild nachhaltig veränderten. Das Gasthaus "Zum Südpol" musste weichen, fand der Heimathistoriker heraus. Das Wragesche Haus neben dem Alten Amtsgericht verschwand. Am Liethberg wurde das erst zehn Jahre alte Haus des Bäckers Bernhard Schulze abgerissen. Weitere Häuser auf dem Kirchenbleeck wurden ebenfalls entfernt. "Dadurch", so Schadendorf, "entstand der Kirchenbleeck in der Größe, wie wir ihn heute kennen." Das damals vertraute Bild der Stadt habe sich in kurzer Zeit deutlich verändert. Im Süden der Stadt mussten die Anlieger Teile ihrer Vorgärten und Stallungen hergeben. Auch das Gehölz, von dem heute noch der Rest vor dem Tryp Hotel Köhlerhof steht, wurde großenteils für den Straßenbau gerodet. Aber am schlimmsten traf es Gustav Reimers, der seine erst wenige Jahrzehnte alte Villa opfern musste. Im Frühjahr 1940 – der Krieg tobte schon längst in Europa – musste dann noch der Durchbruch zum Kirchenbleeck und Bleeck geschaffen werden, wofür dann auch ein 400 Jahre altes Bauernhaus der Familie Steckmest abgerissen wurde. Im Süden wurde das alte Postamt entfernt, um auf den Marktplatz zu stoßen. Der Anschluss erfolgte im Norden und Süden aber nur noch provisorisch, wie die Bramstedter Nachrichten 1941 vermeldeten. "Danach", so Schadendorf, "fand sich nichts mehr über den Straßenbau in den Bramstedter Nachrichten." Die Arbeiten ruhten offenbar, der Krieg brachte andere Herausforderungen mit sich. Erst nach dem Krieg wurde die Beecker Brücke verbreitert: Erst 1949 wurde weitergearbeitet. Schadendorf illustriert seinen Aufsatz mit einem Foto der Bauarbeiten an der Beecker Brücke, wo die Hauptstraße die Osterau überquert. Sie musste damals aufwendig verbreitert werden und hatte bis 2011 die Last des Bundesstraßenverkehrs der B206 zu tragen. Und auch heute noch rauscht der Verkehr unaufhaltsam durchs Stadtzentrum. Schadendorf schließt seinen Aufsatz mit der Bemerkung: "Ob sich unsere Vorväter wohl vorstellen konnten, dass eine autoverkehrsgerechte Stadt einmal nicht mehr das oberste Ziel sein wird?" Weitere Berichte aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier.

Rückblick - Bad Bramstedt: Als die Stadt autogerecht wurde